Renaissance des "Fackel"-Trägers

Mit seinem Roman "Korrekturen" gelang dem 1959 in Illinois geborenen Schriftsteller Jonathan Franzen der internationale Durchbruch: Das Buch wurde weltweit ein riesiger Erfolg. Bei Auftritten in Deutschland liest Jonathan Franzen gern selbst die deutschen Übersetzungen seiner Texte. Er sagt, er habe als Schriftsteller eine "deutsche Struktur" in sich. Er hat in München und an der Freien Universität in Berlin Germanistik studiert. Nun erscheint bei Rowohlt sein neues Buch, in dem er sich intensiv mit dem österreichischen Publizisten und Sprachkritiker Karl Kraus beschäftigt: "Das Kraus-Projekt". Fußnoten von Jonathan Franzen
Wiederbelebung eines Satire-Manifests
Manche werden sich noch erinnern: Ende der 70er Jahre erschien bei 2001 ein Reprint der legendären Publikation "Die Fackel". Eine von 1899 bis 1936 von Karl Kraus herausgegebene satirische Zeitschrift voller verzweifelt bis wütender Aufschreie gegen den Untergang der Kultur und des Abendlandes, den Niedergang der Sprache. Wer es nicht inzwischen an ein Antiquariat verkauft hat, bei dem stehen die zwölf Bände ungelesen im Bücherregal. Ausnahmen natürlich nicht mitgezählt. Helmut Qualtinger z.B. hat Kraus kongenial vertont:
Man muss schon ein sehr berühmter Schriftsteller sein, um ein Buch auf den Markt zu bringen, in einem renommierten Verlag, das aus Fußnoten zu zwei Aufsätzen von Karl Kraus besteht. Jonathan Franzen ist bedeutend genug.
Er hat sich eingelesen in die Schriften des Österreichers Karl Kraus. Das heute berühmteste Werk ist die Weltkriegstragödie "Die letzten Tage der Menschheit", das u.a. in diesem Jahr auch als Graphic Novel erschien .
Ein österreichischer Sturmredner
Karl Kraus steht für Durchblutung der Worte, feinstes Gespür für die Nuance, Kampf gegen Sprachbequemlichkeit und Schluderei. Seine Texte stammen aus der Wörterschmiede eines Unerbittlichen, der immer wieder fragt: Wie weit habt ihr euch von Güte und Liebe entfernt? Er posaunt, telegrafiert, hält Sturmreden.
Hehre Kunst, aufrechte Gesinnung, saubere Politik und reines, rotes Herzblut. Franzen beschäftigt sich mit dem Aufsatz "Heine und die Folgen", der in der Unterstellung gipfelt, dass Heine
Kraus' Nähe zu Bob Dylan
Um auch seinen amerikanischen Lesern die Bedeutung von Karl Kraus zu erklären, führt Jonathan Franzen ihn so ein: "Sein Stil wie seine Anschauungen machten ihn international zu einer faszinierenden Persönlichkeit. Zwar hatte er etwas von der Streitlust, dem politischen Ehrgeiz und dem selbstdarstellerischen Talent Norman Mailers und von der Zitierbarkeit Mark Twains, aber sein Nachruhm lässt sich eher mit der Popularität eines Bob Dylan als mit der eines Schriftstellers vergleichen.“
Man muss es uns nur richtig erklären. Jonathan Franzen erzählt in den Fußnoten auch von seiner Zeit an der Freien Universität Berlin, wo er 1981/82 als Fulbright-Stipendiat war und ein Seminar über Hugo von Hofmannsthal besuchte - gemeinsam mit verschlafenen deutschen Kommilitonen, versteht sich. Er hielt ein Referat. Sein Professor...
Dies ist auch die Botschaft von "Das Kraus-Projekt". Ein Amerikaner kommt und liest für uns Karl Kraus neu. Unterstützt von dem Kraus-Experten Paul Reitter und von dem Schriftsteller Daniel Kehlmann, die beide häufig zitiert werden. Ich fürchte nur, außerhalb von Germanistik-Seminaren, für die es eine enorme Anregung sein könnte, ist das Buch kaum lesbar. Aber wer weiß? Franz Werfel glaubte, Kafkas "Schloss" würde nie über einen Vorort von Prag hinaus der Welt verständlich sein.
Das Kraus-Projekt
- Seitenzahl:
- 227 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3-498-02136-8
- Preis:
- 19,95 € €
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