Ein Plattenbau und zwei Welten: Sara Gmuers "Achtzehnter Stock"
Sara Gmuers zweiter Roman spielt in Berlin - hier ist die Autorin mit ihrer Familie zuhause. "Achtzehnter Stock" ist ein furioses Plädoyer für einen weiblicheren Blick auf die Welt.
Diese Welt ist weder heil noch schön: Hoch reckt sich der Plattenbau an der Frankfurter Allee in den Himmel, Wind und Sonne setzen ihm gnadenlos zu. Wer hier wohnt, kennt die Schattenseiten des Lebens gut:
Der Hausnazi im sechsten Stock hat sich die Fenster mit Deutschlandflaggen zugehängt. Er hat wie alle hier einen alten Mietvertrag und sich wie Ungeziefer eingenistet, man kriegt ihn nicht mehr raus. Der Lift ist entweder defekt oder voller Sperrmüll. Die Leute stellen alte Röhrenfernseher und durchgebumste Matratzen rein, zu verschenken, und hoffen, dass irgendjemand den Müll aus dem Fahrstuhl in die Wohnung zieht. Leseprobe
Wanda wohnt mit der fünfjährigen Karlie im 18. Stock, in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit Schimmelpilz unter dem Waschbecken. Die junge Schauspielerin ist alleinerziehend. Seit zwei Jahren hat sie nicht mehr gedreht, zuletzt einen Werbespot für Waschmittel. Nicht das, wovon sie geträumt hat. Sie wollte eine andere Welt kennenlernen, das prekäre Milieu, in dem sie als Tochter einer ebenfalls alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist, hinter sich lassen. Doch dann kam Karlie. Jetzt ist die auch noch krank, Hirnhautentzündung, wie sich nach einer Odyssee von Arzt zu Ärztin schließlich herausstellt.
Solidarität im Hochhaus
Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt bekommt Wanda den ersten Job seit Jahren. Bei einem extravaganten Abendessen lernt sie den Star des Films kennen, an dessen Seite sie spielen soll: Adam Ezra. Er scheint von ihr ebenso fasziniert zu sein wie sie von ihm. Doch was klingt wie ein Märchen, findet ein abruptes Ende, denn Wanda muss Karlie im Krankenhaus betreuen, und ihr Traum zerplatzt.
Aufgefangen wird Wanda von den Frauen im Hochhaus, die füreinander da sind, obwohl Wanda davon überzeugt ist, dass sie, würden sie nicht zufällig im selben Haus wohnen, nichts miteinander zu tun hätten. Vor allem Aylins Mama unterstützt sie, ebenfalls alleinerziehend, und ganz auf ihre Tochter konzentriert.
Filmbusiness trifft auf Plattenbau
Hart lässt Sara Gmuer zwei Welten aufeinanderprallen - die glitzernde, dekadente des Filmbusiness und die raue, schäbige des Plattenbaus. Der Weg von der einen in die andere scheint kaum möglich, doch entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen Wanda und Adam, und tatsächlich bekommt sie ein neues Angebot für einen Dreh.
Ihre Herkunft und ihre Tochter hält Wanda vor Adam und der Crew geheim. Das kann nicht gut gehen - der Ausflug in die Filmwelt endet mit einem großen Knall.
Sara Gmuer entwickelt einen ganz eigenen Ton
Sara Gmuer setzt beim Erzählen auf starke Kontraste und spürt lustvoll den verschiedenen Milieus nach. Sie entwickelt dabei einen ganz eigenen Ton: rau, schmissig, manchmal knallig, poetisch:
Das Haus steht schützend vor uns. Groß und kräftig, massiv gebaut. Abgebrüht. Um Köpfe größer als die anderen. Es hat alles schon gesehen, alles erlebt, und es ist ihm scheißegal, wer man ist und an was man glaubt. Leseprobe
"Achtzehnter Stock" erzählt von Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, der Arroganz der Mächtigen, insbesondere Männer: Ein furioses Plädoyer für einen weiblicheren Blick auf die Welt.
Achtzehnter Stock
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Hanser blau
- Bestellnummer:
- 978-3-446-28278-0
- Preis:
- 22 €
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Romane
