Buchcover: Florian Knöppler - "Habichtland" © Pendragon Verlag

"Habichtland": Gelungener Heimatroman von Florian Knöppler

Stand: 31.03.2022 08:54 Uhr

Florian Knöppler setzt seine historische Romantrilogie fort: In "Kronsnest" zeigte er, wie die ländliche Bevölkerung in den 1920er- und 30er-Jahren dem Nationalsozialismus den Boden bereitete. In "Habichtland" ist nun der Zweite Weltkrieg ausgebrochen.

von Jürgen Deppe

Florian Knöppler kennt die Gegend, die er beschreibt. Und die Menschen dort. Der Mann, der selbst aus dem Rheinland kam, lebt und schreibt mittlerweile in der Elbmarsch, betreibt zudem eine kleine Landwirtschaft. Seine Nachbarn sind durchweg nette Menschen, sagt er. Deren Vorfahren findet er problematisch. "Es war hier schon kurz vor dem Dritten Reich so, dass die Begeisterung fast allumfassend war", erzählt Knöppler. "Die Menschen haben Hitler erwartet, sie haben wirklich drauf gewartet. Es gab Gemeinden, bei denen die Zustimmungswerte für die Nationalsozialisten schon vor der Machtergreifung bei 75 oder 80 Prozent lagen."

Blick zurück ohne Zorn

Knöppler macht den damaligen Elbmarschern keine Vorwürfe. Er versucht sie zu ergründen in ihrem weiten Spagat zwischen traditionell bäuerlicher Erdverbundenheit, Gleichförmig-, ja Eintönigkeit und dem Gefühl der Abgehängtheit, das in einer radikalen, völkischen Politisierung mündete. Er stellt dafür wieder den wortkargen Bauern Hannes Thormählen und seine Frau Lisa ins Zentrum seines Romans. Sie will sich nicht alles gefallen lassen - diese hetzerischen Reden oder die Erziehung ihrer Kinder zur Führertreue. Er will vor allem seine Ruhe und übernimmt dafür sogar ein offizielles Amt.

Der Versuch des einfachen Glücks

"Der Ausgangspunkt bei beiden ist, dass sie menschlich sind, dass sie dieses Abdriften in Hass und Niedertracht innerlich ablehnen", so Knöppler. "Das ist im ersten Moment gar nicht politisch gemeint, gedacht oder gefühlt. Beide Figuren reagieren auf ganz unterschiediche Weise darauf. Sie explodiert irgendwann, sagt unbedachte Dinge, will sogar etwas dagegen unternehmen. Und er sagt: Lass uns bei unserer Linie bleiben, wir müssen uns zurückziehen, damit wir noch einen minimalen Raum haben zum Leben, zum Atmen, zum - wenigstens in Momenten - Glücklichsein."

Im Jahr 1941 haben sich auch in Kronsnest und Umgebung die Strukturen des selbsternannten Dritten Reichs etabliert. Es herrscht Entbehrung, aber keine Not. Der Weltkrieg tobt woanders, in der Elbmarsch werden junge Männer für den Frontdienst, Pferde, Fuhrwerke und Teile der Ernte eingezogen, um das große Gemetzel zu ermöglichen.

Weitere Informationen
Florian Knöppler: "Kronsnest" © Pendragon Verlag

Florian Knöppler: "Kronsnest"

"Kronsnest" ist ein Sittengemälde des bäuerlichen Lebens in Schleswig-Holstein zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg. mehr

Ein gelungener Heimatroman

Florian Knöppler verweigert es in seinem meist eher deskriptiven als psychologisierenden Rollenspiel, den Stab über der einen oder dem anderen zu brechen. Eher wirft er - und das ist eine echte Stärke dieses etwas anderen "Heimatromans aus der Elbmarsch" - vor der gründlich recherchierten historischen Kulisse überzeitliche Fragen auf: Wann wird aus bloßem Stillhalten stillschweigende Zustimmung? Wo verläuft die Grenze zwischen naiver Widerborstigkeit und fundiertem Widerstand? Wo wird - um es mit Bertolt Brecht zu sagen - aus Unrecht Recht und Widerstand zur Pflicht?

Was ist eigentlich das Richtige?

"Ich habe mich gefragt, wer eigentlich das Richtige tut", sagt Knöppler. "Meine Hauptfigur will weiter den Rückzug ins Private, wegen dieser Feindlichkeit der Umgebung, während seine Frau es irgendwann nicht mehr aushält und moralisch gesehen vielleicht das Verantwortungsvollere tut. Aber ist das dann auch wirklich das Verantwortungsvollere? Wem gegenüber denn eigentlich? Steht man in einer Verantwortung den eigenen Kindern gegenüber? Der Gesellschaft insgesamt? Was ist eigentlich das Richtige? Das lässt sich wahrscheinlich gar nicht so einfach sagen."

Mit "Habichtland" zeigt Florian Knöppler die ganze Stärke großer "Heimatromane", die eben nichts mit Heimattümelei zu tun haben, sondern mit Verstehen des eigenen Selbst. Und er zeigt damit, dass mit ihm - dem Mittfünfziger - zu rechnen ist als neue, ernst zu nehmende Stimme in der deutschen Gegenwartsliteratur.

Habichtland

von Florian Knöppler
Seitenzahl:
320 Seiten
Genre:
Roman
Verlag:
Pendragon
Bestellnummer:
978-3865327819
Preis:
24,00 Euro €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 31.03.2022 | 12:40 Uhr

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Romane

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