"Das Tagebuch von Anne Frank": Jubiläumsausgabe erschienen
Vor 80 Jahren, an ihrem 13. Geburtstag, bekam Anne Frank das berühmte Tagebuch geschenkt, das dann 1947 erstmals veröffentlicht wurde. Anlässlich dieses doppelten Jubliäums hat der Fischer Verlag eine ganz besondere Ausgabe herausgegeben.
Als Anne Frank am 12. Juni 1942 endlich vor ihrem Geburtstagstisch steht - sie war schon lange vor der Zeit wach, durfte aber ihre Eltern nicht wecken -, fällt ihr als erstes ein rotkariertes Büchlein auf. Es ist ein Tagebuch und eines ihrer, so schreibt sie wenig später, schönsten Geschenke. Noch am gleichen Tag beginnt sie ihren ersten Eintrag und eine Woche später trifft sie eine Entscheidung:
Um nun die Vorstellung der ersehnten Freundin in meiner Phantasie noch zu steigern, will ich nicht einfach Tatsachen in mein Tagebuch schreiben wie alle andern, sondern ich will dieses Tagebuch die Freundin selbst sein lassen und diese Freundin heißt Kitty. Leseprobe
Anne Franks Briefe an ihre fiktive Freundin
Ab sofort schreibt Anne ihre Tagebucheinträge meist in Briefform an ihre fiktive Freundin Kitty. Die geht möglicherweise auf eine literarische Figur in einer beliebten niederländischen Mädchenbuchserie zurück. Bereits einen knappen Monat nach Annes 13. Geburtstag müssen die Franks untertauchen und ziehen in das Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht. Dort schreibt Anne weiter Tagebuch, wenn auch nicht täglich. Ihr Stil ändert sich mit der Zeit, wird reifer und viel literarischer. Ihr Cousin Buddy Elias hat nach dem Krieg dazu gesagt: "Viele Leute denken, dass Anne ein Wunderkind war. Sie war es nicht. Ihr großes Talent zum Schreiben hat sie erst im Hinterhaus entwickelt. Geschrieben hat sie schon vorher, aber das waren ganz gewöhnliche Briefe, die Kinder so schreiben."
Anne Franks Tagebuch: Weitere Versionen entstehen
1944 hört Anne im Radio die Rede eines niederländischen Exil-Ministers, in der er vorschlug, nach dem Krieg Tagebücher und Briefe aus der Besatzungszeit zu veröffentlichen. Daraufhin beginnt Anne, ihre Tagebucheinträge zu überarbeiten und gibt vielen handelnden Personen ein Pseudonym. Auf 215 losen Blättern entsteht aus der ursprünglichen Tagebuchversion A die überarbeitete Version B. Das Tagebuch endet am 1. August 1944. Denn das Versteck im Hinterhaus wird verraten, die Bewohner verhaftet und schließlich in Konzentrationslager deportiert. Annes Vater, Otto Frank, ist der einzige Überlebende. Er stellt nach dem Krieg aus den beiden Tagebuchversionen eine Fassung für die Veröffentlichung zusammen, sagt Alexander Roesler vom Fischer Verlag: "Der niederländische Verlag, den er schließlich gefunden hatte, hat auf einen gewissen Umfang bestanden, hat diese ganzen, damals anstößig empfundenen Stellen rausgekürzt und hat eine Lesefassung erstellt, die heute als Version C bezeichnet wird. Das ist die Version, die 1947 zum ersten Mal erschienen ist und deren Geburtstag wir jetzt feiern."
Mit "anstößig empfundene Stellen" waren vor allem Einträge über sexuelle Themen gemeint. Und die Sätze, in denen Anne sich ihren Frust über ihre Mutter und die anderen Mitbewohner von der Seele schrieb.
Jubiläumsausgabe mit Fotos, Editionsgeschichte und Personenverzeichnis
Nach Otto Franks Tod 1980 entstand dann die Version D des Tagebuchs. Darin fehlten nur die zwei Seiten, die Anne selbst zusammengeklebt hatte, damit sie niemand lesen konnte. Ansonsten war Version D eine ungekürzte Ausgabe, sagt Alexander Roesler: "Man wollte die Passagen, die aus Rücksicht auf die Bewohner des Hauses und auf Annes Mutter weggelassen worden sind, doch zur Geltung bringen lassen. Um diesen ganzen Charakter, die Situation und auch Anne authentischer rüberzubringen. Das ist die Version D und das ist eigentlich auch die verbindliche Fassung, die auch vom Anne-Frank-Fonds in Basel autorisiert ist und seitdem die klassische Fassung ist, die man liest."
Dieser endgültigen Version D entspricht auch die Jubiläumsausgabe. Ergänzt wird sie unter anderem durch Fotos der Familie Frank, eine Editionsgeschichte des Tagebuchs und ein ausführliches Personenverzeichnis. Der rotkarierte Leineneinband ist eine Reminiszenz an das Original-Tagebuch, das Anne zum 13. Geburtstag bekam und das heute im Anne-Frank-Haus in Amsterdam ausgestellt ist.
Das Tagebuch von Anne Frank
- Seitenzahl:
- 384 Seiten
- Zusatzinfo:
- Asu dem Niederländischen von Mirjam Pressler
- Verlag:
- Fischer
- Bestellnummer:
- 978-3-10-397151-4
- Preis:
- 24 €