"Birdie und Ich": Großartig komponierter Jugendroman
Bei Kinderbüchern greifen viele Leute nach bekannten Autoren und Autorinnen. Aber manchmal bieten gerade Debütromane überraschende und großartige Geschichten. Wie "Birdie und Ich" von J. M. M. Nuanez.
Alle in diesem Roman haben ihr Päckchen zu tragen, und zwar nicht zu knapp. Das könnte eine deprimierende Geschichte sein. Ist es aber nicht, versprochen!
Viele Freiheiten bei Onkel Carl
Die zwölfjährige Ich-Erzählerin Jack übernimmt nicht erst seit dem Tod der Mutter die Verantwortung für ihren kleinen Bruder Birdie. Der Neunjährige ist kreativ und sensibel, er mag lila und Lipgloss, Regenbogen-Sneakers und Leggings mit Zebramuster. Beide Kinder leben bei ihrem warmherzigen Onkel Carl, der aber sehr mit sich selbst, dem Tod seiner Lieblingsechse und einer komplizierten Beziehung beschäftigt ist. Bei Carl gibt es Fast Food und viele Freiheiten. Zu viele, findet das Jugendamt und schließlich müssen Jack und Birdie bei Carl ausziehen.
"Ich hätte mich mehr um eure Hausaufgaben und eure Lehrer kümmern müssen, aber woher hätte ich wissen sollen, dass es ein Gesetz gibt über so was wie regelmäßigen Schulbesuch? (…) Bei Patrick wird alles ein bisschen anders sein für euch. Dieser Ziegenbock lebt seit 30 Jahren alleine, wer weiß, wie er damit klarkommt, dass plötzlich zwei Kinder im Haus sind." Leseprobe
Feste Regeln bei Onkel Patrick
Patrick ist der andere Onkel. Eine Riesenauster in Hosen sei sein Bruder, meint Carl - und Jack und Birdie sind erst ziemlich unglücklich mit der neuen Situation. Alles Verrückte, Magische ist aus ihrem Leben verschwunden - stattdessen: ein seelenloses Haus, Ordnung, keine ausgefallenen Klamotten, feste Regeln. Aber Patrick gibt sich Mühe, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Er backt eigenes Brot und kocht ausgezeichneten Kakao, was - wie Jack überrascht feststellt, eine schöne Abwechslung zu Pommes, Instant-Nudeln und Snacks ist.
Es ist immer noch nicht die große Freudenwelle, die ich da spüre, aber irgendetwas ist da schon. Etwas Kleineres, aber vielleicht auch Tieferes. Zum ersten Mal frage ich mich, was es für Patrick bedeutet hat, seine Schwester zu verlieren. Leseprobe
Patricks Schwester, die Mutter von Jack und Birdie, war voller verrückter Ideen, ganz im Moment lebend, sprudelnd, magisch. Aber es gab auch Tage, an denen sie nicht aus ihrem Schlafzimmer rauskam, weil sie traurig war und einsam. Dann hat sich die Nachbarin um Jack und Birdie gekümmert. Allmählich wird Jack bewusst, dass sie die Erinnerung an ihre Mutter verklärt hat. Und dass Patricks Zuverlässigkeit etwas ist, was sie lange vermisst hat. Vielleicht ist dieser andere Onkel gar nicht so schrecklich.
Birdie und ich wollten gerade loslaufen zur Schule, aber Patrick sagt, er fährt uns. (…) Im Wagen läuft die Heizung, außerdem erwarten uns eine Schachtel mit Donuts und - auf dem Armaturenbrett - zwei Becher mit heißem Kakao.
"Ich glaube, ich habe noch nie einen Erwachsenen kennengelernt, der so gerne Kakao mag wie Patrick", sagt Birdie.
"Normalerweise trinkt er den ja auch nicht. Er glaubt wohl einfach, dass wir Kakao mögen", sage ich.
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Wunderbare Nebenfiguren
Kaum zu glauben, dass dieser Roman das Debüt der US-amerikanischen Autorin J. M. M. Nuanez ist. Großartig komponiert - erst nach und nach erfährt man die Familiengeschichte von Patrick, Carl, Jack und Birdie. Und dann gibt es noch Rosie, Carls große Liebe, und Janet, Jacks chaotische Freundin, die unbedingt Friseurin werden will - zwei wunderbare Nebenfiguren. Es passieren viele große und kleine Unglücke, jeder und jede muss mit Enttäuschungen leben - und dennoch schlägt man das Buch mit einem wohligen Gefühl und voller Vertrauen in das Leben zu.
Birdie und Ich
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Kinderbuch
- Zusatzinfo:
- Ab 11 Jahren Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann
- Verlag:
- dtv
- Bestellnummer:
- 978-3-423-64095-4
- Preis:
- 15 €
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