Buchcover "Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich - Die neue Klassenjustiz" - Ronen Steinke © Berlin Verlag

Ronen Steinke beklagt soziale Schieflage im deutschen Strafrecht

Stand: 27.09.2022 12:52 Uhr

"Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" von Ronen Steinke zeigt in acht Kapiteln die soziale Ungerechtigkeit des deutschen Strafrechts. Das Buch ist nominiert für den NDR Sachbuchpreis.

von Katja Eßbach

Ronen Steinke, der Autor der "Süddeutschen Zeitung", ist promovierter Jurist und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Justizthemen. Seine Biografie über Fritz Bauer, den Generalstaatsanwalt und Ankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, wurde verfilmt. Sein neues Buch geht der Frage nach, ob in Deutschland vor dem Gesetz wirklich alle Menschen gleich sind.

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Mittellose Menschen landen für Bagatelldelikte im Gefängnis

In acht Kapiteln zeigt der Autor, dass das deutsche Strafsystem ungerecht ist und dass diese Ungerechtigkeit System hat. Menschen, die wenig bis nichts haben, sind im Nachteil. Und es kann in der letzten Konsequenz dazu führen, dass sie auch für Bagatelldelikte wie Schwarzfahren ins Gefängnis müssen. Weil sie die eigentliche Geldstrafe nicht zahlen können:

Wer nicht zahlt und es auch nicht schafft, die Strafe abzuarbeiten, muss in Haft. So ist die Rechtslage in Deutschland. Ein Tagessatz Geldstrafe wird umgerechnet in einen Tag hinter Gittern. "An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe", steht in Paragraf 43 des Strafgesetzbuchs, "tritt Freiheitsstrafe." Zitat aus dem Buch

Davon betroffen und dadurch benachteiligt sind arme oder mittellose Menschen, die keinen eigenen Anwalt bezahlen können. Die sich dann, als komplette juristische Laien, selbst verteidigen müssen. Ronen Steinke weist anhand von Zahlen nach, dass dieser Umstand ganz konkrete Folgen hat: Wer professionell verteidigt wird, hat größere Chancen auf einen Freispruch. Seit Jahren sitzen deshalb immer mehr mittellose Menschen im Gefängnis.

"Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich": Diskussionsgrundlage für eine Reform

Reiche können ihre Geldstrafe unter Umständen sogar von der Steuer absetzen, schreibt Ronen Steinke. So wie der VW-Vorstandschef Herbert Diess beim Diesel-Skandal:

Als "Betriebsausgaben" kann der Konzern Geldauflagen und Geldstrafen seiner Manager nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs absetzen, sofern der strafrechtliche Vorwurf, der sich gegen den Manager richtete, "betrieblich bzw. durch sein berufliches Verhalten veranlasst" war. ZItat aus dem Buch

Ronen Steinke kritisiert jedoch nicht nur: Im letzten Kapitel macht er auch Vorschläge, wie sich die aufgedeckten Missstände verbessern ließen. Für sein Buch hat Steinke mit Verurteilten, mit Richterinnen, Anwälten und Staatsanwältinnen gesprochen. Das Ergebnis ist eine spannende, leicht lesbare Lektüre, die es unbedingt zu diskutieren gilt.

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Verlag:
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Veröffentlichungsdatum:
8. September 2022
Bestellnummer:
978-3-462-00255-3
Preis:
24 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 24.09.2022 | 18:52 Uhr

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