Woher kommt die Faszination an den Goldenen Zwanzigern?
Die sogenannten Goldenen Zwanziger üben in Film, Literatur und Kunst eine große Faszination aus. Was macht sie so besonders? Ein Gespräch mit der Illustratorin Kat Menschik.
Mit "Transatlantik" hat Volker Kutscher einen weiteren Band der Gereon-Rath-Reihe vorgelegt. Die Romanreihe ist die Vorlage für die Serie "Babylon Berlin". Diese geht derzeit in die vierte Staffel - im kommenden Jahr wird sie im Ersten gezeigt. Die Illustratorin Kat Menschik hat die beiden Erzählbände "Moabit" und "Mitte" von Volker Kutscher illustriert. Im Gespräch mit NDR Kultur erklärt sie, was die Faszination dieser Zeit ausmacht.
Wie entstand die Zusammenarbeit mit Volker Kutscher?
Das war ganz einfach. Ich bin auf der Buchmesse auf ihn zugegangen und habe gesagt: "Guten Tag, Herr Kutscher. Ich bin ein großer Fan ihrer Bücher, wollen Sie nicht mit mir zusammenarbeiten und für mich ein Buch schreiben?" Ich war dabei natürlich ein bisschen schüchtern. Ich finde aber: Das Leben ist kurz und man sollte alles versuchen. Mehr als ein höfliches "Nein" bekommt man in der Regel nicht - also habe ich das gewagt. Ich war sehr erstaunt, als Volker Kutscher dann sagte: "Frau Menschik, ich liebe ihre Arbeiten - im Grunde können wir das sehr gerne machen."
So sind zwei Zwischenbände entstanden, die zwischen die großen Romane passen. Was hat sie denn grafisch, zeichnerisch und fasziniert an dieser Zeit und an diesem Stoff?
Ich habe mir bei "Moabit", den ersten Band, den wir zusammen gemacht haben, gewünscht, dass wir in den Goldenen Zwanzigern in Berlin bleiben. Als ich ihn gefragt hatte, hatte Volker Kutscher allerdings bereits Band vier seiner Reihe geschrieben und wir waren schon im Jahr 1931. Im nächsten Band wäre dann die Machtergreifung der Nazis gekommen. Und ich habe gesagt: Eigentlich möchte ich keine Hakenkreuze zeichnen. Ich möchte auch nicht irgendeine Ikonografie des Nationalsozialismus zeichnen. Vielleicht gibt es einen Trick oder eine Geschichte, die vorher spielt. So kam dann Volker auf die geniale Idee, dieses Prequel zur Serie zu schreiben, in dem es hauptsächlich um Charlotte Ritter geht. Während ich anfing zu arbeiten, steckte mir Volker Kutscher nebenbei, dass gerade eine Serie gedreht wird, die "Babylon Berlin" heißt. Da geht es auch um den ersten Fall meiner Reihe. Und übrigens wird gerade auch noch ein Comic gezeichnet. Im Fernsehen oder im Film könnte man die dampfende Berliner Straßen viel, viel schöner darstellen, als er das könne. Und ein Comiczeichner muss diese Szenen darstellen, weil er mit seinen Bildern alles erzählen und in die Geschichte legen muss. Er hat ja nur die kleinen Sprechblasen als Text zur Verfügung. Und da ging mir das erste Mal irgendwie so richtig auf, was das Tolle an meinem Beruf ist: Dass ich als Illustratorin frei erfinden kann. Und ich bin dann ganz oder ziemlich weit weg von dieser Berlin-Idee gegangen und habe mir überlegt, Reklame-Tafeln zu zeichnen. Und das habe ich gemacht. Ob das so übernommene echte alte Reklame oder erfundene war, habe ich meine Geschichte bildnerisch erzählt.
Das ist ja auch eine Zeit, deren Grafik groß gefeiert wird.
Ja. Art Déco und die Grafik der 20er-Jahre lieben alle. Ich habe dann auch wirklich wahnsinnig gerne Versatzstücke von überall genommen und in das Buch gelegt.
Warum sind wir von diesen 20er-Jahren so fasziniert, obwohl man doch weiß, dass das am Ende böse ausgeht?
Man hat den Eindruck: Diese Jahre leuchteten. Und das stimmt ja auch - es war eine offene, freie Zeit. Abgesehen von großer Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Krisen feierte man auch. So ein bisschen das Gefühl habe ich heute auch wieder. Dass alles, was wir tun: Im Sommer besonders verreisen, auf Partys gehen - dass das auch ein Tanz auf dem Vulkan sein könnte. Dass man sich von den ganzen Krisen, die wir gerade erleben, ablenken muss. Dass der Mensch das braucht, eine Zeit lang nicht an die Katastrophen der Welt zu denken. In gewisser Weise finde ich das auch total richtig. Mir geht das selbst so, dass ich ganz oft mir und Freunden sage: Wir in Deutschland erleben gerade keinen Krieg. Und unsere Wohnungen sind - auch wenn sie ein bisschen kühl sind - intakt und wir haben zu essen. Darüber sollten wir uns freuen und nicht die ganze Zeit schimpfen, sondern schätzen, was man hat.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.