Stand: 23.09.2019 08:40 Uhr

Warhol und Basquiat - eine Künstlerfreundschaft

von Benedikt Scheper

Ein Künstler allein kann schon sehr interessant sein. Doch wenn zwei Künstler einander begegnen und zusammenarbeiten, sich bestenfalls gegenseitig beeinflussen, ergibt das oft ein außergewöhnliches künstlerisches Produkt. Sei es in der Malerei, in der Fotografie oder, wie bei den Freunden Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat, sogar in beiden Kunstformen. Ein neuer Bildband präsentiert dieses gemeinsame Œuvre nun mit vielen erstmals gezeigten Fotos.

Die Tür eines klassischen New Yorker Taxis schnellt auf - mitten im Galerieviertel Soho. Ein junger Mann mit Afrofrisur und ölfarbenbefleckter Jeans setzt an herauszuspringen. Unter dem rechten Arm trägt er eine schwarze Skizzenmappe, aus der weiße Blätter hervorlugen. Mit der linken Hand hält er ein paar zerknautschte Dollar-Noten fest. Seine Mundpartie - das perfekte Zahnpasta-Werbe-Lächeln. Dynamik, Euphorie und Leidenschaft - das Schwarz-Weiß-Foto von 1983 zeigt Jean-Michel Basquiats Persönlichkeit perfekt.

Warhol fotografiert Basquiat bei jeder Gelegenheit

Der Band zeigt chronologisch Werke und Bilder aus den 80er-Jahren. Denn fast manisch fotografierte Andy Warhol sich und seine Umgebung - darunter auch den aufstrebenden Star am amerikanischen Kunsthimmel. Mal legt Basquiat in einem Nachtclub auf und blickt konzentriert auf das Mischpult. Mal feiert er in illustrer Runde, lacht, genauso wie Michael Jackson, Madonna oder Whoopi Goldberg in die Kamera. Mal kniet er in einem weißen Nadelstreifenhemd auf einer metergroßen Leinwand und führt mit ruhiger Hand den langen hellbraunen Pinsel - und scheint hier vollends in seinem Element zu sein.

Zwar fertigte auch der Neo-Expressionist Basquiat vom Pop-Art-Künstler Warhol Porträts an. Doch der Ältere scheint, den Jüngeren förmlich studiert zu haben. Abgedruckte Kontaktbögen und Set-Bilder von Fotoshootings zeugen davon, dass Warhol mindestens fasziniert war von der jugendlichen Schönheit Basquiats. Jedenfalls liebte er es, diese zu dokumentieren.

Basquiat ist mehr als Warhols Muse

Ob sitzend, ob stehend, mal selbstbewusst, mal schüchtern - zahlreiche Polaroids zeigen Jean-Michel fast nackt, bekleidet nur mit einer knappen weißen Unterhose. Stets aufs Neue setzt Warhol an, den muskulösen Körper abzulichten, mit Schatten zu spielen und ihn zu immer neuen Posen zu animieren.

Doch die Set-Fotos zeigen auch, wie Basquiat nicht in der Rolle des Models - für spätere Siebdrucke der Akt-Studien - verharrte. Stattdessen bückt er sich immer wieder über die zahlreichen Klein-Format-Bilder, die auf dem Fußboden des Studios liegen. Kritisch scheint er zu sondieren, welche gut genug sind, um sie von seinem Freund für dessen Kunst verwenden zu lassen.

Von einem Mietvertrag zwischen Warhol und Basquiat über Briefe bis hin zu Tagebuchtexten gewährt der Band intime Einblicke in eine intensive Freundschaft. Sie ergänzen die Fotos und Gemälde.

Einblicke in eine außergewöhnliche Beziehung

"Sie erlauben es dem Leser, die Künstler und ihre Beziehung kennenzulernen so wie jenen außergewöhnlichen Augenblick, als zwei Stars in Downtown New York City zueinander fanden, hell strahlten, um dann ganz plötzlich im Dunkel zu verschwinden", erklärt der Herausgeber Michael Dayton Hermann in seinem Nachwort.

Das vielleicht schönste Foto zeigt Andy und Jean-Michel im Clinch. Für ein Shooting haben sie Boxhandschuhe übergestreift, lassen ihre Fäuste im Spaß aufeinanderprallen, tänzeln unter einem großen Scheinwerferschirm. Das Bild diente als Werbung für eine gemeinsame Gemälde-Ausstellung, bildet aber in Wahrheit viel mehr ab - ihre Freude am spielerisch-künstlerischen Austausch.

So ist das Buch "Warhol on Basquiat" nicht nur eine fotografische Schatzkiste. Es erzählt bildlich und textlich von einer herausragenden Freundschaft von zwei Jahrhundert-Künstlern.

Warhol on Basquiat. An Iconic Relationship in Andy Warhol's Words and Pictures

von Michael Dayton Hermann
Seitenzahl:
312 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Hardcover, 21,6 x 29 cm - Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch
Verlag:
Taschen Verlag
Bestellnummer:
ISBN 978-3-8365-2523-7
Preis:
50,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 22.09.2019 | 17:40 Uhr

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