"Nicht mein Antirassismus": Canan Topçu plädiert für offenen Dialog
Das Thema Rassismus treibt viele Menschen um und führt zu Diskussionen. Die Autorin Canan Topçu plädiert in ihrem aktuellen Buch "Nicht mein Antirassismus" für einen unvoreingenommenen Blick und für einen offenen Dialog frei von Denkverboten und Tabus.
Rassismus werde hierzulande nicht stärker, meint Canan Topçu. Im Gegenteil, die Gesellschaft sei offener als je zuvor. Und genau deswegen öffneten sich Diskussionsräume, in denen wir über Diskriminierung diskutieren könnten. Allerdings nimmt - ihrer Meinung nach - der Diskurs dabei manchmal eine Umdrehung zu viel und verzettelt sich in Übertreibungen: "Ich wende mich gegen Antirassismus-Akteure, die diese Dichotomie aufstellen: 'Wir sind die Opfer und die "Weißen", die Deutschen, die aus der Mehrheitsgesellschaft, sind die Täter, die uns daran hindern voranzukommen, die uns beleidigen, die uns rassistisch angehen, die uns die Wege versperren.' Dagegen wehre ich mich."
"Bin ich im falschen Film?"
Alles Mögliche werde schon als Rassismus bezeichnet, beklagt Topçu. Sie selber wisse nicht mehr, was eigentlich tatsächlich rassistisch und was auf ganz andere Beweggründe zurückzuführen sei. So beschreibt sie in ihrem Buch Situationen, in denen sie angefeindet wurde. Dennoch: "Ablehnung, Abweisung - das muss ja nicht alles rassistisch motiviert sein, wenn Menschen in Interaktion sind und der eine kommt dem anderen blöd daher. Meine Wahrnehmung ist mittlerweile, dass das allzu schnell aufs Rassistische zurückgeführt wird - und dagegen wehre ich mich. Wenn man die Debatten verfolgt, dann bekommt man den Eindruck, dass Deutschland nur aus Rassisten besteht, zumindest wenn sie 'weiße' Deutsche sind. Das habe ich für mich so nicht erlebt."
Topçu erzählt in ihrem Buch von Veranstaltungen der postmigrantischen Szene, auf denen sie zunehmend ins Zweifeln gekommen ist. Dort habe es immer wieder geheißen:
"...durch und durch rassistisch, überall sind Neonazis, man traut sich kaum auf die Straße. Bin ich im falschen Film? Ich habe ernsthaft angefangen, mich zu fragen, ob etwas an mir nicht stimmt. Weil ich - ohne Ausgrenzungen, Herabwürdigungen und Diskriminierungen auszublenden - dieser krassen Beschreibung nicht zustimme. Mir wurde deswegen sogar das Stockholm-Syndrom attestiert."
Aufklärung muss schon im Kindergarten beginnen
Sie selber hat zwar Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht und wurde in der Schule benachteiligt, ergänzt die Autorin. Dennoch würde sie es nicht als Rassismus bezeichnen. Aufklärung müsse schon viel früher beginnen: "Und zwar in Kindergärten, in Elternhäusern, dass es eine viel bewusstere Erziehung von Kindern gibt. Dass Kindergärten und Schulen dazu beitragen, dass Menschen zu psychisch gesunden, aufrechten Demokraten werden können. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen."
Mit ihrem Buch möchte Topçu Menschen jeder Herkunft ermuntern, miteinander ins Gespräch zu kommen. Diejenigen, die irritiert sind, möchte sie ermutigen sich nicht mundtot machen zu lassen, sondern Fragen zu stellen.
Das Buch ist teilweise sehr persönlich. Gerade deshalb leistet es einen wichtigen Beitrag zur Rassismus-Debatte.
Nicht mein Antirassismus
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Quadriga Verlag
- Veröffentlichungsdatum:
- 29.10.2021
- Bestellnummer:
- 978-3-86995-115-7
- Preis:
- 16,90 €
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