Thriller von Nicci French: "Eine bittere Wahrheit"
Hinter dem Autorennamen Nicci French verbirgt sich das Ehepaar Nicci Gerrard und Sean French. Die beiden sind verlässliche Lieferanten für Spannung vom Feinsten.
Es beginnt mit einer Situationsschilderung, von der man naiv denkt: Das könnte mir zum Glück nie passieren und man würde es auch nicht aushalten. Aber das dachte Tabitha auch. Sie befindet sich im Untersuchungsgefängnis. Es ist hässlich und brutal dort. Sie hört Frauen schreien und schluchzen. Tabitha Hardy ist eingesperrt, weil sie verdächtigt wird, einen Mord begangen zu haben. Das ist ein Irrtum, der sich schnell klären wird. Warum hätte sie ihren Nachbarn und früheren Lehrer töten sollen?
Ein Geständnis könnte Tabithas Strafe mildern
Eine Anwältin erscheint, um sie zu vertreten und vor der Verhandlung ausführlich mit ihr zu sprechen. Sie ermahnt Tabitha, alles, aber auch wirklich alles zu erzählen, was man gegen sie verwenden könnte. Aber da sei doch nichts, meint die Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sie findet zum Beispiel heraus, dass sie mal in psychiatrischer Behandlung war. Waren ihre Depressionen eine Spätfolge einer Vergewaltigung, durch ihren Lehrer, als sie fünfzehn Jahre alt war, jener Lehrer, der jetzt tot ist?
Tabitha, eine störrische Einzelgängerin, ist in den Ort ihrer Kindheit zurückgekehrt, hat ein kleines windschiefes Haus gekauft, nah am Meer, um jeden Tag zu schwimmen. Sie hat leichtsinniger Weise gedacht, man könnte in so einem kleinen Ort für sich allein leben und müsste nicht freundlich zu jedermann sein. Nun richtet sich das alles gegen sie. Sie hat keine Freunde in dem Ort, keinen, der wirklich zu ihr hält. Die Anwältin rät ihr, die Tat zu gestehen, sie habe ja ein Motiv gehabt, das erlaube auf mildernde Umstände zu plädieren, ansonsten sei mit einer lebenslänglichen Haftstrafe zu rechnen.
"Nein." "Bitte?" "Ich möchte nicht, dass Sie mich vertreten." "Was wollen Sie damit sagen? Tabitha lächelte. "Kapieren Sie es nicht? Sie sind gefeuert." Leseprobe
Ist der Verzicht auf einen Verteidiger eine gute Idee?
Tabitha beschließt, selbst ihre Verteidigung zu übernehmen. Sie versucht, sich juristisches Fachwissen dafür anzueignen und bereitet sich mehrere Stunden täglich auf den ersten Verhandlungstag vor. Zwischendurch fürchtet sie, den Verstand zu verlieren.
Womöglich hatte die Polizei ja recht, aber ihr eigenes Gedächtnis sperrte sich gegen die Erinnerung. Leseprobe
In der Gefängnisbibliothek trifft Tabitha Ingrid, der sie von ihren Selbstzweifeln erzählt. Ingrid fragt:
Und Sie ziehen das jetzt wirklich durch?" "Was?" "Sich selbst zu verteidigen." "Sieht ganz danach aus." "Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist?" "Ich bin mir überhaupt nicht sicher." Dann fiel ihr noch etwas ein. "Ich habe draußen in der Welt nicht viele Freunde. Wenn Sie mir Ihre Nummer geben, kann ich Sie ja vielleicht mal anrufen." "Jederzeit", antwortete Ingrid und tätschelte Tabithas Hand. Die Geste fühlte sich nach Mitleid an, was Tabitha gar nicht gefiel. Leseprobe
Ein intelligent konstruierter Thriller
An dieses ungute Gefühl erinnern wir uns, als jene Ingrid in den Zeugenstand gerufen wird und behauptet, ihr gegenüber habe Tabitha die Tat gestanden. Tabitha gibt nicht auf und kämpft vor Gericht:
"Welche der Zeugenaussagen akzeptieren Sie nicht?" "Gar keine." Richterin Munday nahm langsam ihre Brille ab. "Miz Hardy, Sie können nicht einfach die Zeit des Gerichtes verschwenden." "Ich kämpfe um mein Leben", widersprach Tabitha atemlos. "Ich verschwende niemandes Zeit." Leseprobe
Die Geschichte entwickelt sich immer dramatischer und so, dass einem immer wieder der Atem stockt. Das ist unglaublich intelligent konstruiert und macht uns beim Lesen demütig. Was Menschen alles passieren kann - in Wirklichkeit eben doch jedem von uns. Ich darf nun noch, ohne den Schluss zu verraten, sagen: Es gibt ein hochbefriedigendes Ende.
Eine bittere Wahrheit
- Seitenzahl:
- 512 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Bertelsmann
- Bestellnummer:
- 978-3-570-10378-4
- Preis:
- 16,00 €
