Mit besonderem Strich: Graphic Novels im März
Auch in diesem Frühjahr strömen wieder herausragende Bücher auf den Markt - unter ihnen auch Graphic Novels. Drei von ihnen stechen im Monat März aus der Masse hervor.
"Das Leuchten im Grenzland" von Pirmin Beeler
Nino lebt in der Schweiz. Als Teenager hat er den Traum, mit seinem Mofa über die Alpen nach Italien zu fahren, in das Land seiner Vorfahren. Seine Großmutter kommt aus dem Norden. Sie besucht der Erwachsene Nino später im Altersheim und hört ihrer Lebens- und Ninos Familiengeschichte zu. Er erfährt, wie sie das einfache Dorfleben hinter sich gelassen hat, um in der Schweiz ein besseres Leben zu finden.
Es sind Momente voller alltäglicher Poesie, die der Schweizer Autor und Illustrator Pirmin Beeler entwickelt. Seine aquarellierten Zeichnungen erinnern an die flirrenden Bilder Paul Cezannes, gemixt mit den umrandeten Outlines der heutigen Zeit. Die Wärme und das besondere Licht Italiens finden sich genauso in seinen Bildern wieder wie die schwermütige Trostlosigkeit eines Altersheims. Es ist berührend und berauschend zugleich, der Geschichte der Großmutter und der ihres Heimmitbewohners Bruno zu folgen. Ein wunderbares Buch über Zuversicht, Träume und Veränderungen - und über das Leben überhaupt.
"Phantasmen" von Jurek Malottke und Kai Meyer
Kai Meyer ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren im Bereich der fantastischen Romane. Zum zweiten Mal haben er und der Illustrator Jurek Malottke eine Erzählung Meyers in eine Graphic Novel verwandelt. Und so viel vorweg: Fesselnder und herausfordernder gib es im Frühjahr nichts Vergleichbares - inhaltlich wie darstellerisch.

Zur Geschichte: Die Schwestern Rain und Emma wollen in der spanischen Wüste den Ort finden, an dem bei einem Flugzeugabsturz ihre Eltern ums Leben gekommen sein sollen. Schnell wird aus dem Urlaubstrip ein Rennen und ein Kampf ums Überleben - bei dem auch die gesamte Menschheit auf dem Spiel steht. Denn seit einiger Zeit erscheinen verstorbene Menschen als Geister an jenem Ort, wo sie zu Tode gekommen sind - und töten jeden, der ihnen zu nahe kommt, mit einem Lächeln. Klingt spooky, ist es auch, und zudem auch noch spannend erzählt.
Jurek Malottke hat für dieses Buch einen neuen untypischen Look entwickelt. So haben seine farbintensiven Figuren und Räume keine Outlines. Das wirkt oft extrem plakativ und dynamisch, teilweise ornamenthaft und ab zu leider auch verwirrend, weil schwer zu erkennen. Trotzdem: Die Dichte und Umsetzung der Geschichte überzeugt und fasziniert bis zur letzten Seite.
"Surwilo" von Olga Lawrentjewa
Wenn Großmütter ins Erzählen kommen und alte Erinnerungen aus dem Gedächtnis holen, hören meist die Enkel gebannt zu. So erging es auch Olga Lawrentjewa aus St. Petersburg. Doch beim Zuhören blieb es nicht. Lawrentjewa schrieb - nein, zeichnete - die Lebensgeschichte ihrer Großmutter auf. Ein Leben, das sich 1937 im damaligen Leningrad von einem auf den anderen Tag komplett verdunkelte, als ihr Urgroßvater der antikommunistischen Spionage angeklagt wurde und die Familie stigmatisiert in die Verbannung musste.
Die 35-Jährige zeichnet diese Erlebnisse mit Feder und Tusche. Ihre Bilder wirken wie dunkle Erinnerungen eines farblosen Traumas, die keinen Platz für Licht und Freude haben. Aber woher auch - ist das Leben der Großmutter durch den Zweiten Weltkrieg, die Belagerung Stalingrads und seine stalinistischen Nachwehen alles andere als vergnüglich. "Surwilo", so der Titel des Buches, benannt nach dem Familiennamen der Großmutter, ist ein Zeitzeugnis und ein Familienepos zugleich, das eine tiefe russische Traurigkeit spürbar werden lässt.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Romane
