Stand: 17.09.2020 06:20 Uhr

Marion Poschmann erhält den Hölty-Preis

von Raliza Nikolov

Marion Poschmann hat schon etliche wichtige Preise bekommen, unter anderem den Wilhelm-Raabe-Preis 2013 und den ersten Deutschen Preis für Nature Writing 2017. Nun wird die Schriftstellerin mit dem Hölty-Preis der Stadt Hannover ausgezeichnet, der mit 20.000 Euro als höchstdotierter Lyrik-Preis im deutschsprachigen Raum gilt. Er erinnert in zweijährigem Rhythmus an den Dichter Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776). Die Jury würdigt damit Poschmanns Werk als Lyrikerin: Poschmann wisse sich "in subtiler Konsequenz" der Neuaneignung der poetischen Tradition verpflichtet, hieß es zur Begründung.

Die Lyrikerin Marion Poschmann im Porträt. © picture alliance/Silas Stein/dpa Foto: Silas Stein
Besonders die "ungeheuer bildstarke Sprache" von Marion Poschmann hebt die Jury des Hölty-Preises hervor.

Marion Poschmann ist ein Phänomen. Sie strahlt eine kluge Zartheit aus, eine bewundernswerte Sensibilität, eine zurückhaltende Wärme; und sie paart Zugewandtheit, die nie anbiedernd erscheint, mit einer Distanz, die nie eitel oder arrogant wirkt. 1969 in Essen geboren, lebt die Dichterin, Romanautorin und Essayistin in Berlin. Gepriesen wird sie für ihre "ungeheuer bildstarke Sprache". In ihrem Gedichtband "Geliehene Landschaften" heißt es zum Beispiel über den New Yorker Vergnügungspark Coney Island:

In deiner Sodaflasche schwappt eine Zitrone, Bliss oder Biss. Beobachte sorgsam ihr Leuchten, ihr Absetzverhalten, die Sinkgeschwindigkeit in der Dezemberstille. Ich will das Meer anstoßen, zum Schwingen bringen. "Geliehene Landschaften" von Marion Poschmann

Marion Poschmanns Dichtung hat eine "ungeheuer bildstarke Sprache"

Marion Poschmann veröffentlicht gern abwechselnd Gedicht- und Prosabände. Eine dichterische Sprache sieht sie als Voraussetzung auch für Prosa. Mit ihrem Roman "Die Sonnenposition" war Marion Poschmann 2013 zu Gast in der NDR-Reihe "Autoren lesen" und äußerte sich in der herrlich kraftvoll-zarten Art, die ihr eigen ist, zu der Meinung von manchen Kritikern, das sei die Schreibweise einer Lyrikerin:

"Vielleicht liegt es daran, dass im Moment eher Romane in Mode sind, die sich einer alltagsnahen Sprache bedienen, einer Sprache mit eindeutigen Beschreibungen, also einer Sprache, die den klaren Satz pflegt, ohne Beiwerk, ohne sprachliches Unterholz, könnte man sagen. Und so etwas kam für meinen Roman eher nicht in Frage, weil es mir darum ging, komplexe Zusammenhänge zu beleuchten. Es sind Themen, Vorgänge, die ambivalent, vielschichtig sind, gar nicht so eindeutig. Und ich hatte den Eindruck, ich brauche dazu auch eine Sprache, die das erfassen kann, und mit einer alltagsnahen Sprache wäre mir nicht gedient gewesen."

Filigran konstruierte Texte über existenzielle Fragen

Das Verhältnis des Menschen und ihrer selbst zur Natur treibt sie um als "eine der entscheidenden existenziellen Fragen", wie sie es einmal genannt hat. Der Roman "Die Sonnenposition" beginnt so:

Die Sonne bröckelt. Wenn im Speisesaal Betrieb herrscht, versetzen die schweren Schritte alles in Schwingung, und von der Decke fällt Stuck. "Die Sonnenposition" von Marion Poschmann

Die Jury für den Hölty-Preis hebt hervor, dass Marion Poschmann in ihrem aktuellen Gedichtband "Nimbus" ihre Dichtkunst noch weiter verfeinert habe, mit Gedichten, die vom unumkehrbaren zerstörerischen Eingriff des Menschen in die Natur erzählten. Der Band enthalte filigran konstruierte Texte, "die uns die Welt vor Augen stellen, als sähen wir sie zum ersten Mal". Dichtung, also Lyrik wie Prosa, lehren uns zu sehen, unsere Sinne zu schärfen - vielleicht sogar das Unsichtbare sichtbar zu machen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 17.09.2020 | 06:20 Uhr

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