Kann Schreiben bei der Trauerbewältigung helfen?
Kann Schreiben bei der Trauervewältigung helfen? Die junge Lyrikerin Laura M. Neunast hat sich in "Keine Lilien" schreibend mit dem Suizid eines Freundes auseinandergesetzt - und eine komplexe Antwort auf diese Frage.
"Keine Lilien" ist ein Buch vom bodenlosen Fallen. Eine wahre Geschichte, wie sie allzu häufig vorkommt.
"Da liegen zwei und die Frau nennt sich noch Mädchen. Da liegen zwei und sehen sich in die Augen in der Graudämmerung, sie wissen noch nicht, dass auf viele kleine Tode ein großer folgen wird." Zitat aus "Keine Lilien"

Es ist der Versuch, die Trauer, den Schmerz, die Wut in Worte zu fassen. Das Unvorstellbare: Den Suizid eines geliebten Menschen. Laura Neunast konnte nicht anders als Schreiben. In der Straßenbahn, wenn die Gedanken sich verselbständigten. Dort, wo es kein Entkommen gab. "Im Schreibprozess war es erstmal wie Druck ablassen. Es staut sich sehr viel auf und dann fließt es aus mir raus", sagt Laura Neunast. "Meistens habe ich mir die Texte einige Tage später erst angeschaut und das war der Moment, wo der Trost entstanden ist. Der Moment, wo ich gemerkt habe, das, was ich aufgeschrieben habe, spiegelt genau das wider, was in mir vorgeht."
Man hat mir Trauern nie gottlos beigebracht, aber in mir gibt es keinen gläubigen Teil, nicht mal ein Gottesteilchen. Ich will ja so sehr an etwas glauben, ich würde meinen Verstand eintauschen, aber mein verdammter Verstand will mich nicht verlassen, nicht dafür, man könnte mir tausendmal das Hirn waschen, was farblos ist, bleibt farblos. Zitat aus "Keine Lilien"
Sprache als Instrument zur Trauerbewältigung
Zwei Monate nach der Zäsur steht sie auf eine Bühne und liest einen ihrer Texte vor. Sie wird gehört, schreibt einen ersten Lyrikband: "Liebe in Zeiten der psychischen Krankheit". Oft fühle sie sich so, als wäre sie emotional kein bisschen weiter als damals. Das Schreiben habe ihre Trauerarbeit nicht beschleunigt. Doch sie werde dank der Texte nun besser verstanden - von Freunden, der Familie und von sich selbst. "Ich habe viele Aspekte dieser Trauer für mich greifbarer gemacht", sagt die Lyrikerin. "Auch wenn das immer mal wieder hochkommt, weiß ich, ich habe die Worte, um das auszudrücken griffbereit und bin nicht mehr so komplett hilflos." .
"Keine Lilien" war aus künstlerischer Sicht auch eine Art Befreiungsschlag: "Für mich besteht das Buch eben nicht nur aus dem Trauma, sondern es ist für mich auch ein kleines Kunststück, was ich in dem Sinne auch gern anschaue". Allerdings nicht immer. Es habe auch gut getan, das eine Zeit lang ruhen zu lassen und nicht immer obsessiv darum zu kreisen. "Dieses Thema einfach mal in den Schrank zu stellen und mich einer anderen Sache zu widmen."
Laura Neunast: "Weniger allein in der Einsamkeit"
In "Keine Lilien" befragt sich Laura Neunast immer wieder - hinterfragt ihr Verhalten, ihre Rolle als Autorin, die aus dem Tod des geliebten Menschen Literatur schafft. Ist das überhaupt legitim?
Betroffene Leserinnen und Leser haben sich bei ihr gemeldet, sich bedankt, dass sie, Laura, eine Sprache gefunden hat, die ihnen bisher fehlte. Für die Autorin war das ein Geschenk: "Man ist nicht weniger einsam, aber man ist weniger allein in der Einsamkeit."
Und trotzdem bleibt, was war:
Ich habe geschrieben, aber das macht es nicht wieder gut.
Du kommst nicht zurück, welches Stück ich auch aufführe.
Meine Wut darüber ist ist noch immer da.
Ich habe Gefühle bar jeglicher Kübler-Rossschen Reihenfolge,
fuck the five steps, ich laufe einen Kreis, kehre um, kreuze meine eigenen Wege.
Vielleicht ist es am Ende ein Pentagramm.
Und ich zornig wie zuvor.
Zitat aus "Keine Lilien"
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