Bildband: "Unendliche Landschaften" Norwegens
Obwohl er oft gereist ist und viele Landschaften gesehen hat, fand Harald Sohlberg vor allem in seiner norwegischen Heimat unerschöpflich Inspiration. Sein Leben lang malte er die Bergwelt im norwegischen Nationalpark Rondane und die Region um das heutige Oslo. Er wurde nicht satt an diesen "Unendlichen Landschaften" - so heißt auch ein neuer Bildband, der das Schaffen des bedeutenden norwegischen Malers vorstellt.
Zwischen Romantik und Symbolismus
Grauer Schotter. Zwischen Nadelbäumen schlängelt sich der Weg hindurch, bis runter ins Tal. Lichtmasten am Straßenrand - aufrechte Säulen in dieser Landschaft. Die Berge am Horizont leuchten in kobaltblau, der Himmel darüber in warmem Gelb. Kein Mensch ist zu sehen. Eine mystische Abendstimmung in der Nähe von Trondheim, die Harald Sohlberg 1905 gemalt hat.
"Wohin führt dieser Weg in der Dämmerung?
Als ob die Trauer in ihm
Sich der Ewigkeit übergibt
in den Kiefern und Lichtmasten", schrieb die norwegische Lyrikerin Gunvor Hofmo über Sohlbergs Bild. "Eine Geburt und ein Tod zugleich."
1869 ist Harald Sohlberg geboren. Sein Weg zum Künstler führte über das Handwerk. Als 16-Jähriger machte er eine Ausbildung zum Dekorations- und Theatermaler. Spuren davon sind auch in seiner späteren Malerei zu finden. Er bleibt konkret, zeigt Details, gestaltet eine Tiefe, wie für eine Theater-Kulisse. Er schafft Räume, die Geschichten erzählen.
Motive in vielen Variationen
Die Bergstadt Røros: Eine Kapelle erhebt sich in der Dunkelheit aus einem Häusermeer. Licht scheint aus dem Dachfenster. Sohlberg spielt mit der Symmetrie, man könnte das Bild in der Mitte falten, die linke und rechte Hälfte sind fast identisch: Gebäude, Fenster, Berge. Wäre da nicht der Mond, ein zarter Fleck links im taubenblauen Himmel. Erst allmählich fällt der Blick auf das, was im Dunkeln liegt: die Fläche zwischen dem Betrachter und dem Kirchenbau. Blumenbeete, drapierte Steinplatten, Kreuze - ein Friedhof. Wir mittendrin.
Der Bildband zeigt Gemälde, Zeichnungen, Drucke und Fotografien des norwegischen Künstlers. Außerdem zahlreiche Studien, in denen er Varianten für ein Bild erprobt - mal ein Haus verändert, mal eine Farbe, mal eine Mimik. Serien, die seine Suche dokumentieren. Bis ins kleinste Detail arrangiert er seine feinsinnigen Kompositionen.
Märchenhafter Blick auf die Natur
Das lassen auch die vielen begleitenden Texte im Buch erahnen. Etwa ein Brief aus dem Jahr 1915, in dem Sohlberg über sein Bild "Winternacht in den Bergen" schreibt: "Vor mir ragte in weiter Ferne eine Bergkette empor, schön und majestätisch im Mondschein. Versteinerten Riesen gleich."
Wie in Falten gelegter hellblauer Samtstoff räkelt sich das gigantische Gebirge, das er über Jahrzehnte hinweg immer wieder gemalt hat. Unten im Tal dann der Kontrast: "Ich sah verkrüppelte, knorrige und umgestürzte Bäume, stummer Ausdruck der unvorstellbar starken Kräfte der Natur."
Klare Symbole, klug eingesetztes Licht, ein fast märchenhafter Blick auf die Natur. Auch den Menschen zeigt Harald Sohlberg beeindruckend: zum Beispiel einen Greis mit ausgemergeltem, nacktem Oberkörper oder eine andächtige Schöne am Fjordufer oder den grimmigen, fast cartoonhaften Riesen, fies sein Gesichtsausdruck, fest starrt er den Betrachter an. Schlicht und gleichzeitig so vielsagend der Titel des Bildes: "Ein Treffen". Hoffentlich nicht mit uns.
Harald Sohlberg komponiert akribisch, dosiert fein und erzählt dabei Großes.
Unendliche Landschaften
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- 200 Abbildungen in Farbe, 24 x 28 cm, gebunden - herausgegeben vom Nationalmuseum Oslo
- Verlag:
- Hirmer Verlag
- Preis:
- 39,90 €
