Hamburger Bücherhallen: E-Book-Ausleihe früher ermöglichen
Gerade in der Corona-Krise ist die Nachfrage in Hamburgs Bücherhallen groß. Doch E-Books stehen oft viel später als das gebundene Buch zur Verfügung. Ein Manko, auf das die Aktion "Buch ist Buch" hinweist.
Bücher gehören zu den Gewinnern der Corona-Krise. Der Verkauf läuft gut, und auch die Nachfrage in den Bücherhallen in Hamburg ist hoch. Hier kommt man kinderleicht an die neuesten Bestseller. Aber ist das wirklich so? Jetzt schließen sich bundesweit die öffentlichen Bibliotheken zusammen mit der Forderung: E-Books, also digitale Buchformate, sollten genauso leicht und schnell auszuleihen sein wie analoge. "Buch ist Buch" heißt ihre Kampagne.
Nachfrage nach E-Books in Bücherhallen riesig

Das digitale Buch, das E-Book, gehört längst zu jeder öffentlichen Bibliothek. "Wir sind eben keine verstaubten Häuser, in denen man sich am staubigen Buch festhält, sondern wir sehen, dass wir und unsere Kundinnen und Kunden natürlich wie selbstverständlich diesen Weg auch weitergehen", stellt Frauke Untiedt, Direktorin der Hamburger Bücherhallen, klar. Die Nachfrage ist riesig. Aber genau da gibt es ein Problem. Die digitale Version eines Buches steht den Bücherhallen meistens erst Monate nach der Veröffentlichung zur Verfügung. "Unser Kernproblem ist, dass es für Bibliotheken im Moment nur dann möglich ist, ein Buch zu kaufen, damit es ausgeliehen wird, wenn der Verlag damit einverstanden ist. Wenn der Verlag nicht damit einverstanden ist, dann dürfen wir das Buch nicht kaufen."
"Herkunft" von Saša Stanišić erst ein Jahr später als E-Book verfügbar
Die Verlage stemmen sich dagegen, Bestseller sofort nach Erscheinen den Bibliotheken als E-Book zur Verfügung zu stellen. Das gilt, heißt es in einem offenen Brief der Bibliotheken, für siebzig Prozent der Spiegel-Bestsellerliste. Michelle Obamas Buch "Becoming" kam ganze sieben Monate später als E-Book in die Bücherhallen. "Manchmal dauert es sogar länger. Es ist nicht immer nur so, dass man sagt: Dann kann man es eben erst nach eineinhalb Jahren lesen. Saša Stanišić' Buch 'Herkunft' war im Jahr 2019 in den Hamburger Schulen Abiturthema, es erschien im März 2019. Wir konnten es erst im Februar 2020 als E-Book kaufen", so Untiedt.
Kein "Verramschen": E-Books nur einzeln ausleihbar
Die Verlage sind zurückhaltend. Offenbar fürchten sie, mutmaßt Untiedt, dass die Bücher sozusagen digital "verramscht" werden, dass ein E-Book an Hunderte gleichzeitig verliehen wird. Frauke Untiedt will mit diesem Missverständnis aufräumen. "Wir bilden jedes digitale Buch, jedes E-Book, auch in der Ausleihe wie ein analoges Buch ab. Es kann einzeln ausgeliehen werden, nicht beliebig oft gleichzeitig", erklärt Untiedt. Und sie argumentiert: Wenn E-Books wie gedruckte Bücher behandelt werden, habe das nur Vorteile. Auch für die Autoren und Autorinnen selbst. "Wir sind die besten Schaufenster für einen Schriftsteller und das im analogen wie im digitalen Raum!"
Projekt "Silber und Smart" hilft Senioren beim Umgang mit E-Books

Der unschlagbare Vorteil des E-Books zeige sich gerade jetzt, in Lockdown-Zeiten: Vor allem ältere Leserinnen und Leser und Menschen mit Behinderung sind auf digitale Angebote angewiesen. "Wir haben bei den Bücherhallen ein Ehrenamts-Projekt, 'Silber und Smart', mit dem wir älteren Menschen beibringen, wie digitale Endgeräte benutzt werden können", berichtet Frauke Untiedt und fügt hinzu: "Es ist ein ungeheurer Vorteil, wenn man bei einem E-Book die Schrift vergrößern kann."
Angebot der Bücherhallen ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe
In ihrer gemeinsamen Kampagne "Buch ist Buch" fordern Frauke Untiedt und der deutsche Bibliotheksverband die rechtliche Gleichstellung von E-Books und gedruckten Büchern in allen Bereichen. Außerdem sollen Autoren und Autorinnen für die Ausleihe eines E-Books angemessen vergütet werden, wie bei gedruckten Büchern auch. Denn Bibliotheken wollen den Menschen Bücher zugänglich machen, möglichst sofort nach Veröffentlichung. Es geht, sagt Untiedt, um gesellschaftliche Teilhabe: "Wenn die Menschen, die Bibliotheken nutzen, weil ihnen vielleicht das nötige Kleingeld fehlt, um jeden interessanten Titel selber zu kaufen, dann auf einmal warten müssen und Menschen zweiter Klasse sind, wenn es darum geht, Informationen zu bekommen und mitreden zu können, dann, finde ich, entwickelt es sich nicht zum Vorteil der Menschen insgesamt."
Jetzt wird die Situation neu geregelt, an höchster Stelle. Der Bundestag wird noch in dieser Legislaturperiode klären, wie die elektronische Ausleihe zukünftig aussieht. Ist ein Buch ein Buch? Frauke Untiedt findet: eindeutig - "ja".
