Tanja Maljartschuk © picture alliance/dpa/Usedomer Literaturtage Foto: Sofija Rudejchuk

"Die Zerbrechlichkeit der Welt": Usedomer Literaturtage beendet

Stand: 28.04.2022 22:00 Uhr

Beim Finale der Usedomer Literaturtage am 30. April wurde der ukrainischen Schriftstellerin Tanja Maljartschuk der Literaturpreis der Insel überreicht.

von Juliane Voigt

Nach zwei Jahren Pandemie fühlten sich die Usedomer Literaturtage wieder ein bisschen wie ein Festival an. Die Autorinnen und Autoren waren wieder mit ihrem Publikum zusammen und reden über "Zerbrechlichkeit unserer Existenz" - das Motto dieser Literaturtage. "Wir hatten in diesem Jahr unter dem Zeichen der Corona-Pandemie das Motto "Zerbrechlichkeit unserer Existenz" gewählt und haben nicht damit rechnen können, dass uns dieser furchtbare Ukrainekrieg dazwischenkommt", erklärt Intendant Thomas Hummel. "Deswegen haben wir das Programm erweitert, um auch über die Zerbrechlichkeit Europas mit unseren Autoren ins Gespräch zu kommen."

Ukrainerin Tanja Maljartschuk erhält Usedomer Literaturpreis

Höhepunkt der Literaturtage war die Verleihung des Usedomer Literaturpreises. Der Preis ging an die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk für ihren Roman "Blauwal der Erinnerung". "Darin erzählt sie die schwierige Nationsbildung der Ukraine anhand der Biografie von Wjatscheslaw Lypynskyj. Dieser wird nämlich als Pole geboren, entscheidet sich später jedoch für eine ukrainische Identität. In ihrer poetischen Sprache erzählt sie das weithin vergessene Leben dieses sehr wirkmächtigen Geschichtsphilosophen und Politikers aus dem frühen 20. Jahrhundert, dessen Lebenstraum eine unabhängige Ukraine war", so Jury-Mitglied Andreas Kossert.

Der Roman ist im Jahr 2019 erschienen. Die in Österreich lebende Ukrainerin Tanja Maljartschuk bekommt 5.000 Euro und wird im kommenden Jahr einen Monat lang auf Usedom leben und schreiben.

Auftakt mit dem ehemaligen Bundespräsidenten

Zum Auftakt kam Joachim Gauck nach Usedom - nicht als Autor, sondern als Politiker, als ehemaliger Bundespräsident. Er sprach über die Risse in unserer Gesellschaft und über Toleranz und Streit - die tragenden Säulen der Demokratie. Und kritisierte Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow über "eine reale Gefahr für den Ausbruch eines Dritten Weltkriegs".

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Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck spricht auf einer Bühne im Kaiserhof. Mit dem Podiumsgespräch begannen die Usedomer Literaturtage, die diemal unter dem Motto "Die Zerbrechlichkeit unserer Existenz" stehen. © dpa Foto: Stefan Sauer

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"Heilung durch Lachen": Lesung mit Alfred Brendel

Am Donnerstag stellte Alfred Brendel sein Buch "Heilung durch Lachen" vor. Die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen, das empfiehlt der Pianist und Autor. "Alfred Brendel ist selbst Literat", erzählt Alexander Datz. "Er hat Gedichtbände veröffentlicht, schreibt über Musik und wird den Diabelli-Variationen von Ludwig van Beethoven, aber auch eigenen Gedichten, diesem Humor in Musik und Poesie näherkommen. Humor, der in schwierigen Zeiten auch Lebenshilfe ist."

Olga Tokarczuk und Andreas Kossert in der Jury

Am Freitag stand zudem die Lesung der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk an. Olga Tokarczuk ist in besonderer Weise mit den Usedomer Literaturtagen verbunden, denn sie ist nicht nur die Juryvorsitzende des Usedomer Literaturpreises, sondern auch eine Preisträgerin selbst: Sie erhielt 2012 den Usedomer Literaturpreis. Sie wird hat am Freitag ihr neuestes Buch präsentieren: "Anna In - Eine Reise zu den Katakomben der Welt". Darin geht um das Diesseits und das Jenseits, um die heitere Existenz und die Katakomben des Todes.

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Ebenfalls Mitglied der Jury des Usedomer Literaturpreises ist Andreas Kossert. Der Berliner Historiker ist selbst Autor und wurde für sein Buch "Flucht. Eine Menschheitsgeschichte", das er auf Usedom vorstellen wird, mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis ausgezeichnet. Das Buch bekommt eine ungewollte Aktualität durch die ukrainischen Flüchtlinge in Europa.

Zu den Usedomer Literaturtagen gehört auch ein Schreibworkshop mit der 11. Klasse des Ahlbecker Gymnasiums. Schülerinnen und Schüler schreiben über die Corona-Pandemie, über Unsicherheiten, Ängste, aber auch Hoffnungen der jungen Generation.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 27.04.2021 | 08:15 Uhr

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