Amanda Gorman verzauberte 2021 die Welt mit ihrem Gedicht "The Hill we Climb" im Rahmen der Amtseinführung des US-Präsidenten Joe Biden. © CNPPool / MediaPunch

Das war 2021: Rückblick auf das Literaturjahr

Stand: 28.12.2021 06:00 Uhr

Viel war los in den letzten zwölf Monaten: Corona, die Flut im Ahrtal, Deutschland hat eine neue Bundesregierung. Welche Ereignisse waren in der Welt der Literatur in diesem Jahr wichtig?

von Maren Ahring

Es war der 20. Januar 2021, als eine junge Frau in einem gelben Mantel die Bühne in Washington betrat:

When day comes, we ask ourselves, where can we find light in this never-ending shade?
The loss we carry. A sea we must wade.
We braved the belly of the beast.
We’ve learned that quiet isn’t always peace, and the norms and notions of what "just" is isn’t always justice. aus "The Hill we Climb" von Amanda Gorman

Amanda Gorman verzauberte die Welt mit ihrem Gedicht "The Hill we Climb" im Rahmen der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Und genau dieses Gedicht bzw. dessen Übersetzungen sorgten im Frühjahr für Diskussionen. In den Niederlanden gab die Übersetzerin freiwillig ihren Auftrag zurück, nachdem eine Journalistin angemerkt hatte, dass eine schwarze Frau die bessere Wahl für diesen Job gewesen wäre. Amanda Gormans deutscher Verlag Hoffmann und Campe entschied sich deshalb für gleich drei Übersetzerinnen. "Der Grundgedanke war", so Geschäftsführer Tim Jung, "dass da verschiedene Erlebnis- und Erfahrungswelten mit eingebracht werden sollten. Und damit natürlich etwas umgesetzt wird, was Amanda Gorman selbst auch einfordert: nämlich Vielfalt."

Weitere Informationen
Cover des Buchs "The Hill We Climb" von Amanda Gorman

Amanda Gormans "The Hill We Climb" auf Deutsch

Das Gedicht der 22-jährigen Poetin hat weltweit beeindruckt und ist nun in deutscher Übersetzung erschienen: "Den Hügel hinauf". mehr

Forderung nach mehr Diversität in der Literaturbranche

Rainer Moritz, der Leiter des Hamburger Literaturhauses, hielt dagegen. Es sei die Leistung von Übersetzerinnen und Übersetzern sich einzufügen und einzufinden in fremde Welten. "Und deswegen ist das, was mit Frau Gormans Übersetzungen im Moment geschieht, die Versuche, sie politisch korrekt zu halten, ein rechter Unsinn", findet Moritz.

Mehr Vielfalt und Diversität forderten auch zahlreiche Autor*innen von der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse. Denn auf der Shortlist war kein einziger Titel von schwarzen Autor*innen oder Autor*innen mit Migrationshintergrund zu finden. Andere Preis-Jurys machten es in diesem Jahr besser, zum Beispiel mit der Entscheidung, die Autorin, Filmemacherin und Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zu ehren.

Der aus Sansibar stammendeAbdulrazak Gurnah, den wahrscheinlich niemand als Favoriten auf dem Zettel hatte, erhielt den Literaturnobelpreis.

In diesem zweiten Corona-Jahr fanden Lesungen und Literaturereignisse wieder mit weniger Publikum oder hybrid statt. Aber immerhin konnten sie stattfinden! So zum Beispiel die Frankfurter Buchmesse im Herbst, bei der am Wochenende immerhin bis zu 25.000 Besucherinnen und Besucher täglich durch die Messehallen schlendern durften.

Frankfurter Buchmesse: Autorin Jasmina Kuhnke sagte Auftritte ab

Für Aufregung sorgte gleich zum Auftakt die Autorin Jasmina Kuhnke. Sie sagte ihre Auftritte in Frankfurt aus Sorge um ihre eigene Sicherheit ab, nachdem sie erfahren hatte, dass auf der Buchmesse rechte Verlage vertreten waren.

Aus norddeutscher Sicht besonders traurig: Das Aus für das Literaturfest Niedersachsen. Grund dafür ist, dass die beiden Stiftungen im Hintergrund sich "neu positionieren" wollen. Eine bedauerliche Entscheidung, sagte die bisherige Intendantin Susanne Mamzed: "Wir konnten mit dem Festival natürlich in verschiedenste Orte gehen, an Orte, wo sonst keine Literatur ist. Und das war gerade der Punkt, der das Besondere des Festivals ausmachte." Jetzt müsse man nach Institutionen suchen, so Mamzed, die sich dann auch trauen, mitzumachen.

Weitere Informationen
Bücherregale und eine Besucherin bei der Frankfurter Buchmesse 2021 ©  Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Sebastian Gollnow

Frankfurter Buchmesse: Debatte über rechte Verlage

"Für eine Buchmesse wäre es fatal, wenn die Freiheit des Wortes nicht gewährleistet ist", sagt Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses Hamburg. mehr

2021 aus Sicht der Literatur: ein Jahr mit einigen Schatten, aber auch ganz viel Licht:

For there is always light, if only we’re brave enough to see it.
If only we’re brave enough to be it. aus "The Hill we Climb" von Amanda Gorman

 

Weitere Informationen
Verschiedene Schauspieler auf der Bühne im Stück "Richard the Kid & the King" im Deutschen Schauspielhaus. © Monika Rittershaus, 2021

Das war 2021: Rückblick auf das Theaterjahr

Erst ging monatelang der Vorhang nicht hoch, dann gab es im Herbst einen wahren Premieren-Marathon auf den norddeutschen Bühnen. mehr

Die PEN-Präsidentin Regula Venske © picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt Foto: Daniel Reinhardt

100 Jahre kein bisschen leise: Der PEN feiert Geburtstag und bleibt sich treu

Der PEN wird nach wie vor dringend gebraucht, bilanziert Regula Venske, Schriftstellerin und scheidende Präsidentin des Deutschen PEN. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 28.12.2021 | 09:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Sachbücher

Biografie

Romane

Logo vom Podcast "eat.READ.sleep" © NDR/istockphoto.com Foto: Natee Meepian

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Schauspielerin Sandra Hüller (rechts)und Regisseurin Justine Triet (2. von links) mit US-Schauspielerin Jane Fonda bei der Preisgala in Cannes. © picture alliance/dpa/MAXPPP | Frantz Bouton Foto: Frantz Bouton

Cannes: Goldene Palme für französisches Drama mit Sandra Hüller

Justine Triet siegte mit dem Justizdrama "Anatomy of a Fall" mit Hüller in der Hauptrolle. Ein in Hamburg geförderter Film wurde ebenfalls prämiert. mehr