Das war 2021: Rückblick auf das Literaturjahr
Viel war los in den letzten zwölf Monaten: Corona, die Flut im Ahrtal, Deutschland hat eine neue Bundesregierung. Welche Ereignisse waren in der Welt der Literatur in diesem Jahr wichtig?
Es war der 20. Januar 2021, als eine junge Frau in einem gelben Mantel die Bühne in Washington betrat:
When day comes, we ask ourselves, where can we find light in this never-ending shade?
The loss we carry. A sea we must wade.
We braved the belly of the beast.
We’ve learned that quiet isn’t always peace, and the norms and notions of what "just" is isn’t always justice.
aus "The Hill we Climb" von Amanda Gorman
Amanda Gorman verzauberte die Welt mit ihrem Gedicht "The Hill we Climb" im Rahmen der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Und genau dieses Gedicht bzw. dessen Übersetzungen sorgten im Frühjahr für Diskussionen. In den Niederlanden gab die Übersetzerin freiwillig ihren Auftrag zurück, nachdem eine Journalistin angemerkt hatte, dass eine schwarze Frau die bessere Wahl für diesen Job gewesen wäre. Amanda Gormans deutscher Verlag Hoffmann und Campe entschied sich deshalb für gleich drei Übersetzerinnen. "Der Grundgedanke war", so Geschäftsführer Tim Jung, "dass da verschiedene Erlebnis- und Erfahrungswelten mit eingebracht werden sollten. Und damit natürlich etwas umgesetzt wird, was Amanda Gorman selbst auch einfordert: nämlich Vielfalt."
Forderung nach mehr Diversität in der Literaturbranche
Rainer Moritz, der Leiter des Hamburger Literaturhauses, hielt dagegen. Es sei die Leistung von Übersetzerinnen und Übersetzern sich einzufügen und einzufinden in fremde Welten. "Und deswegen ist das, was mit Frau Gormans Übersetzungen im Moment geschieht, die Versuche, sie politisch korrekt zu halten, ein rechter Unsinn", findet Moritz.
Mehr Vielfalt und Diversität forderten auch zahlreiche Autor*innen von der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse. Denn auf der Shortlist war kein einziger Titel von schwarzen Autor*innen oder Autor*innen mit Migrationshintergrund zu finden. Andere Preis-Jurys machten es in diesem Jahr besser, zum Beispiel mit der Entscheidung, die Autorin, Filmemacherin und Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zu ehren.
Der aus Sansibar stammendeAbdulrazak Gurnah, den wahrscheinlich niemand als Favoriten auf dem Zettel hatte, erhielt den Literaturnobelpreis.
In diesem zweiten Corona-Jahr fanden Lesungen und Literaturereignisse wieder mit weniger Publikum oder hybrid statt. Aber immerhin konnten sie stattfinden! So zum Beispiel die Frankfurter Buchmesse im Herbst, bei der am Wochenende immerhin bis zu 25.000 Besucherinnen und Besucher täglich durch die Messehallen schlendern durften.
Frankfurter Buchmesse: Autorin Jasmina Kuhnke sagte Auftritte ab
Für Aufregung sorgte gleich zum Auftakt die Autorin Jasmina Kuhnke. Sie sagte ihre Auftritte in Frankfurt aus Sorge um ihre eigene Sicherheit ab, nachdem sie erfahren hatte, dass auf der Buchmesse rechte Verlage vertreten waren.
Aus norddeutscher Sicht besonders traurig: Das Aus für das Literaturfest Niedersachsen. Grund dafür ist, dass die beiden Stiftungen im Hintergrund sich "neu positionieren" wollen. Eine bedauerliche Entscheidung, sagte die bisherige Intendantin Susanne Mamzed: "Wir konnten mit dem Festival natürlich in verschiedenste Orte gehen, an Orte, wo sonst keine Literatur ist. Und das war gerade der Punkt, der das Besondere des Festivals ausmachte." Jetzt müsse man nach Institutionen suchen, so Mamzed, die sich dann auch trauen, mitzumachen.
2021 aus Sicht der Literatur: ein Jahr mit einigen Schatten, aber auch ganz viel Licht:
For there is always light, if only we’re brave enough to see it.
If only we’re brave enough to be it.
aus "The Hill we Climb" von Amanda Gorman
