#BookTok: Wie Verlage mit TikTok junge Leser gewinnen wollen
Buchverlage setzten auf TikTok-Videos und Clips mit hohem Unterhaltungswert, aber geringem Tiefgang - um an junge Leser heranzukommen. Auch auf der Frankfurter Buchmesse ist das ein Thema. Jürgen Deppe hat sich umgesehen und mit Verantwortlichen in den Verlagen gesprochen.
Man sieht wenig von dem jungen Mädchen, das elf Sekunden lang in eine dicke Decke eingemummelt ein Buch von Colleen Hoover liest und dabei ein Papiertaschentuch nach dem anderen fortwirft. Dazu läuft Musik im Hintergrund. Ende. Was war das denn? "Buchleser stellen anderen Buchlesern ihre Lieblingsbücher vor. Und das auf einem Kanal, der sehr, sehr unüblich ist und auch noch sehr neu: TikTok“, erklärt Carmen Udina von der IG Digitales des deutschen Börsenvereins, die hauptsächlich aber in der Hamburger Verlagsgruppe Oettinger für Digitales zuständig ist.
#BookTok: Weltweit 83 Milliarden Videoaufrufe
Das Phänomen, das sie beschreibt, firmiert unter dem Hastag BookTok und ist mittlerweile überall da, wo es TikTok gibt, zu einem Massenphänomen geworden, schwärmt TikTok-Deutschland-Chef Tobias Henning: "Weltweit hat der Hashtag BookTok 83 Milliarden Videoaufrufe! Das gibt eine Idee davon, wie groß dieses Phänomen geworden ist. Ursprünglich war es einfach mal eine Community von jungen Bücherfreaks, die sich gegenseitig erzählt hat, was sie gerade so lesen und gut finden. Meistens eher Romance oder Fantasy. Keine Inhaltsangaben, sondern emotionale Mini-Clips", berichtet er. "TikToks leben natürlich von der Kürze. Viele Videos sind zwischen 15 und 30 Sekunden lang, es geht aber mittlerweile bis zu zehn Minuten. Und dann muss es sehr authentisch sein. Es muss persönlich sein, es muss überraschend sein. Es muss vielleicht ein bisschen emotional sein. Es muss irgendwie einzigartig sein, um erfolgreich zu sein."
Verlage produzieren eigene TikTok-Inhalte
Und erfolgreich heißt klickstark! Heißt: gesprächswertig! Also auch gut verkäuflich, haben clevere Verleger daraus längst geschlossen und produzieren selbst Content für BookTok, wie etwa die Verlagsgruppe Oettinger. Deren erste Gehversuche scheiterten allerdings fulminant. Viel zu steif und völlig uncool. Carmen Udina verfolgt nun eine andere Strategie: "Wir lassen das unsere jungen Social-Media-Beraterinnen, unsere Azubis machen, so wie sie wollen. Ohne Briefing, ohne alles. Und seitdem gibt es ganz süße Filmchen, die wir normalerweise nie gemacht hätten. Aber die wissen halt, wie TikTok gemacht wird. Und seitdem funktioniert das."
Wirklich? Denn Klickzahlen mögen für lesebegeisterte Teenies schön und gut sein, davon überleben Verlage aber nicht. Für dtv betreut Rita Bollig den BookTok-Auftritt. Zahl sich das aus? "Ganz seriös kann man es gar nicht sagen, aber man hört von der Gesellschaft für Konsumforschung, dass die sehr junge Zielgruppe nicht nur in der Leserschaft wächst, sondern auch zu Käufern geworden ist. Und das ist die Zielgruppe bis 29. Und die wächst als Käuferzielgruppe", so Bollig.
Wie socialmedia-affin ist ein Buchtitel?
Weshalb immer mehr Verlage bereits bei der Akquise ihrer Buchtitel, vor allem der amerikanischen, auf ihre BookTok-Affinität achten: "Es ist so, dass es zu vielen Büchern auch einen Hashtag gibt. Und das heißt, in den USA erscheinen viele Titel viel früher und werden dann auch schon zu Gesprächsstoff. Und man kann dann schon sehr früh schauen, wie viele Aufrufe ein Buchtitel, der bei uns im November erscheint, in den USA schon generiert, und wie viel darüber gesprochen wird. Und mittlerweile schauen sich das alle Verlage, die in diesen Genres produzieren, ernsthaft an", sagt Bollig.
Auf der Buchmesse wird BookTok am Sonntag, wenn neben Fachbesucherinnen und Fachbesuchern auch allgemeines Publikum da ist, eine große Bühnen-Show mit den beliebtesten BookTok-Stars und Live-Events präsentieren. Und die Pläne verfolgen, im November einen BookTok-Club zu starten. Was auch immer das werden wird.
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