Die vielen Gesichter des Dirigenten Thielemann
Christian Thielemann zählt zu den herausragenden Dirigenten der Gegenwart - unter Anderem als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden, als Künstlerischer Direktor der Salzburger Osterfestspiele und als Musikdirektor der Bayreuther Festspiele. Am 1. April 2019 wird er 60 Jahre alt. Ein neuer Bildband zeigt ihn facettenreich in Aktion.
Einer der größten Dirigenten unserer Zeit
Sein Blick ist sanft, genießend. Er beißt sich auf die Unterlippe. Etwas zerzaust sind seine braunen Haare. Ein Indiz, dass diesem ruhigen Moment. ein stürmischer vorausgegangen ist. Die rechte Hand zeigt entspannt mit dem Taktstock in die Höhe, mit der linken formt er zwischen Zeigefinger und Daumen ein O. Er trägt ein legeres, lavendelgestreiftes Poloshirt.
Inzwischen zählt der 1959 in Berlin geborene Thielemann zu den größten Dirigenten unserer Zeit. Er begann seine Karriere als Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin und gleichzeitig als Assistent von Herbert von Karajan. Als Kind hat ihn das Dirigieren zunächst aber überhaupt nicht gereizt.
"Als meine Eltern mich im Alter von sieben oder acht zum ersten Mal in ein Konzert mitnahmen, empfand ich das Auftreten des Dirigenten irgendwie als merkwürdig. Da kommt einer, der sich verbeugt, einen Stab in der Hand hat und ausladende Bewegungen macht", schreibt Christian Thielemann im Vorwort des Bildbandes. "Aber ich musste lernen und einsehen, dass er derjenige war, der durch seine Gestik die Farben mischte, die ich so mochte."
Musikalische Farbenvielfalt
Christian Thielemann setzt musikalisch erstaunlich viele Farben ein. Das zeigen diese Fotografien, die Lois Lammerhuber bei diversen Proben gemacht hat. Er war der erste Fotograf, der während einer laufenden Aufführung im legendären Bayreuther Graben fotografieren durfte. Allerdings nur bei einer Generalprobe und mit einem Schallschutzgehäuse, um die Geräusche des Auslösers zu dämpfen. Ganz nahe, unmittelbare Aufnahmen sind entstanden. Mal spricht aus Thielemanns Körperhaltung Hingabe, mal Rausch oder auch zartes Zurücktreten.
Die Semperoper Dresden: Lässig lehnt Thielemann an der goldenen Stange, die seinen Dirigentenplatz auf Brusthöhe einfasst. Er schaut in die Runde, entspannt, voller Neugier. Kein Taktstock. Mit einer schwungvollen Handbewegung signalisiert er eine Art Aufforderung.
Christian Thielemann nimmt sich bei den Proben zum Silvesterkonzert 2013 mit der Sächsischen Staatskapelle, deren Chefdirigent er damals gerade geworden ist, bewusst zurück. Im Zentrum des Programms stehen Arien und Duette von Paul Lincke, Robert Stolz und Kurt Weill bis hin zu Musical-Hits von Leonard Bernstein und George Gershwin. Die Musik ist hoffnungsvoll, heiter und gelöst: Sie passt perfekt für einen Auftakt in ein neues Jahr. Diese Haltung sieht man auch Thielemann an, der schelmisch schmunzelt, und sich überraschen lässt von seinem Orchester.
Begleitenden Texte lassen hinter die Kulissen blicken
Andere Bilder zeigen ihn wieder ganz anders. Thielemann in völliger Anspannung. Durch seine gefletschten Zähne zieht er einen Atemzug. Er hüllt sich in seine Arme. Geradezu wütend sieht er aus. Wieder trägt er ein kurzärmeliges Polo-Hemd. Jeder Muskel ist zu erkennen. Die Hände sind zu Fäusten geballt, als würde er Energie für einen großen Ausbruch sammeln. Es dürfte die Stelle sein, an der Giuseppe Verdi in seinem Requiem das "Lux aeterna", das ewige Licht erstrahlen lässt.
Welche Stücke bei welchen Fotos gespielt wurden? Welchen Herausforderungen sich Orchester und Dirigent stellten? Was gute Teamarbeit ausmacht? Die begleitenden Texte lassen hinter die Kulissen blicken. Trotz des immer gleichen Motivs bleibt der Bildband bis zuletzt reizvoll. Er zeigt beeindruckend viele Gesichter von Christian Thielemann: stark und leidenschaftlich. Noch genialer sind aber womöglich die ungeschönten Schnappschüsse fernab jeder Pose: enttäuscht, zweifelnd, verschwitzt.
Christian Thielemann - Dirigieren
- Seitenzahl:
- 318 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- 27 x 27 cm, 258 Fotos, Text in Deutsch und Englisch, Hardcover, Leinen gebunden, "French Fold"-Schutzumschlag
- Verlag:
- Edition Lammerhuber
- Bestellnummer:
- 978-3-903101-09-8
- Preis:
- 99,00 €
