Bachmann-Wettbewerb: Hannovaner Juan S. Guse liest in Klagenfurt
Der Schriftsteller Juan S. Guse aus Hannover hat bereits zwei Romane veröffentlicht: "Lärm und Wälder" und "Miami Punk". Nun ist er zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nach Klagenfurt eingeladen worden.
Juan S. Guse taucht kein einziges Mal in dem Video auf, mit dem er sich auf der Homepage des Bachmann-Preises als Teilnehmer in Klagenfurt präsentiert. Stattdessen sehen wir Baumarktszenen: Holzstapel, Schrauben, Beile, ein Gabelstapler. Um Text und Bild zusammenzubringen, bedarf es einiger Fantasie.
Den Wettbewerb nimmt der 33-Jährige sportlich. Als Doktorand der Soziologie, der zu Bewertungsverfahren forscht, hat seine Teilnahme auch etwas von einem Studienbesuch. "Das ist die kuriose Situation, dass ich da eben auch als Soziologe anreise, weil das genau mein Forschungsgebiet ist: die organisierte Auf- und Abwertung von Menschen durch Menschen. Was vielleicht auch erklärt, warum ich da mit so einer gewissen Nüchternheit rangehe, weil ich mich - nicht jeden Tag, aber jede Woche - mit Bewertungsverfahren beschäftige. Wie die funktionieren, wie die aufgebaut sind, was die je nach Feld für eigenständige Logiken haben. Das heißt, ich bin da in so einer komischen Doppelrolle."
Juan S. Guse: Als Soziologie-Student beim Bachmann-Wettbewerb
Bewertet zu werden, das ist Juan S. Guse auch als Autor nicht fremd. Geboren 1989 im hessischen Seligenstadt, gewann er schon mit Anfang 20 - noch während des Studiums der Literaturwissenschaften und der Soziologie in Hannover - den Berliner Literaturwettbewerb "open mike". Bei der Bewerbung Hannovers zur Kulturhauptstadt Europas verfasste Juan S. Guse zwei Bidbooks, also Bewerbungsmappen, in Form von Erzählungen.
Inzwischen sammelt er Material für seinen dritten Roman. Inspiration erhält er dafür auch aus seiner Zeit als Praktikant bei den Vereinten Nationen in New York: "Erstmal wird da viel Text produziert. Da sitzen dann 30, 40 Vertreter*innen von verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen und schreiben kollektiv ein Word-Dokument. Und die haben natürlich unvereinbare Vorstellungen, wie die Welt sein sollte und wie sie ist. Und trotzdem muss dieses Dokument dann für alle funktionieren. Dann streitet man sich eben stundenlang über Adjektive und Adverbien und Formulierungen. Das Besondere ist, am Ende kommt ein Text dabei heraus, der so gebaut ist, dass alle sagen: ja, das ist unsere Wirklichkeit."
Kurzgeschichte für den halbstündigen Bachmann-Auftritt
Wie werden ihn die anderen sehen, die Juror*innen in Klagenfurt? Worum es in seinem Text gehen wird, verrät Juan S. Guse nicht. Allerdings habe er sich Gedanken gemacht, welche literarische Form in einer halben Stunde Präsentation dort gut funktioniere. Er hat einen Text eingereicht, der auch etwas über seine aktuelle Arbeit aussagt: "Das ist im Grunde ein Auszug aus etwas, was ich gerade schreibe, wie so ein Amalgam, eine Verdichtung, ein Seitenzweig, was ich dann zugeschnitten habe auf die Form. Das heißt also eine Kurzgeschichte, die eine gewisse Dichte hat, eine gewisse Ambiguität und Unklarheit. Einfach Sachen, die ich an einer Kurzgeschichte interessant finde, weil ich die auch typischerweise eigentlich gar nicht schreibe."
Die Soziologie übersetzt die Realität, die Literatur darf sie verzerren, sagt Juan S. Guse über seine Studienfächer. Damit spielt er auch im Präsentationsvideo. Am Ende fängt die Kamera den Blick auf eine kahle Ecke des Baumarktes ein - mit einer hellen Metallwand. Dahinter ist ein Baum mit dichter Krone und viel Himmel. Alles könnte hinter dieser Wand stehen. Wir sehen es nur nicht. Auch, wenn der Text etwas anderes behauptet, denn dort heißt es: "Hier sieht man junge Männer mit Waffen."
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