Stand: 08.02.2019 17:55 Uhr

Versteinerte Hölzer - erinnerte Spuren

von Chantal Nastasi

Zur Weihnachtszeit hat ihn fast jeder von uns bei sich stehen: den obligatorischen Tannenbaum. Tannen und Tannenzweige sollen böse Geister fernhalten und als immergrüne Bäume sind sie Symbole der Fruchtbarkeit. Holz im Allgemeinen wird eine beruhigende Wirkung nachgesagt. Im Altertum glaubte man, Bäume seien der Sitz von Göttern und Nymphen, später waren Wälder der Handlungsort vieler Märchen. Unser heutiges Bildschönes Buch dreht sich um sehr alte Bäume, genauer gesagt um Bäume, die zu Stein geworden sind. Es heißt das "Gedächtnis der Bäume - Versteinerte Hölzer".

Versteinerte Bäume wie abstrakte Gemälde

Wie Wasserfarben fließen die Gelb- und Rottöne ineinander. Am Rande des Bildes mischen sich dunkle und hellere Farbtöne in blau und grau. Das Innere eines 200 Millionen Jahre alten Nadelbaums sieht aus wie ein abstraktes Gemälde. Es ist der Baumstamm einer Araukarie, einer Tannenart, die heute nur noch auf der südlichen Erdhalbkugel zu finden ist. Viele dieser Nadelhölzer hat man in versteinertem Zustand im US-amerikanischen Arizona gefunden, im Petrified Forest, was versteinerter Wald bedeutet.

Aus dieser Gegend in Arizona stammen die farbenprächtigsten Hölzer. Sie wurden bei einer Überflutung entwurzelt und weiter flussabwärts von Sedimentschichten begraben. Auf diese Weise wurden sie konserviert. Durch Siliziumdioxid blieb beim Versteinern die Struktur der Hölzer erhalten, Metalle wie Eisen und Mangan, die im Sediment vorkamen, führten zu gelb-roten Verfärbungen im Holz.

Faszinierende Farbspiele

Durch Kobalt- und Chromverbindungen entstanden blau-grüne Farbspiele. Auch die Rinde dieser seltenen Hölzer hat die Farbe angenommen, die der Schweizer Fotograf Urs Möckli in Szene gesetzt hat. Die dünnen Querschnitte der Baumstämme wirken in vergrößerten Abbildungen extrem durchsichtig, als würde man in grünlich gefärbtes Eis blicken.

Diese Farben springen besonders ins Auge, da der Großteil dieses Bildbandes in warmen Farbtönen gehalten ist. An manchen Hölzern hängen noch kleine Sandkörner; die meisten Bilder zeigen allerdings das Innere der Baumstämme mit ihren Jahresringen, aber auch mit ihren unterschiedlichen Holzmaserungen: Palmen, Fichten, Eichen, Ahorne, Buchen, Walnussbäume, Zypressen und viele Araukarien.

Fossilien aus der Zeit vor den Dinosauriern

Die meisten Bäume stammen noch aus der Zeit vor den Dinosauriern. Einige wurden von Lava begraben, ihr Holz färbte sich durch die extreme Hitze schwarz. Doch gerade auf diesem dunklen Untergrund zeichnen sich hellere Elemente besonders deutlich ab, strahlenförmige Linien, die aus der Mitte des Baumstamms nach außen ziehen wie Sternschnuppen am Nachthimmel.

Ein australischer Baumstamm wurde von Bohrmuscheln durchlöchert. Die Lücken füllten sich mit Wasser und durch die darin enthaltenen Mineralien entstanden durchsichtige bis bunt schillernde Gesteine in den Löchern des Holzes. Gesammelt hat die fossilen Hölzer Hans Jakob Siber, ausgestellt sind sie in seinem Sauriermuseum im schweizerischen Aathal. Urs Möckli hat die Baumteile fotografisch in Szene gesetzt und vor allem die Querschnitte in faszinierenden Nahaufnahmen festgehalten.

Kurze, erläuternde Texte erklären die Entstehung der fossilen Hölzer, die arbeitsintensive und knifflige Herstellung der Querschnitte und im hinteren Teil des quadratischen Bildbandes die Erdgeschichte im Allgemeinen.

Mit ihren Jahresringen sind die alten Bäume Zeugen dieser Geschichte, und sie sind von der Natur geschaffene Kunstwerke. Eine faszinierende, unbekannte Welt, die auch ohne die gelungenen Erläuterungen eine Augenweide ist.

Das Gedächtnis der Bäume

von Andreas Honegger, Text / Urs Möckli, Fotos
Seitenzahl:
144 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
Elisabeth Sandmann / Suhrkamp
Bestellnummer:
978-3-945543-42-9
Preis:
49,95 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 10.02.2019 | 17:40 Uhr

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