Amelie Fried im Porträt © Raimund Verspohl

Amelie Fried: Mit 60 ist man noch lange nicht alt

Stand: 14.10.2022 00:01 Uhr

Amüsant und geistreich ist Amelie Fried nicht nur in ihren Bestsellern, sondern auch im richtigen Leben. Im Interview spricht sie über das Älterwerden.

Starautorin und Moderatorin Amelie Fried hat wieder einmal nachgelegt: In ihrem Bestseller "Traumfrau mit Nebenwirkungen" von 1996 war die Protagonistin Cora Schiller gerade einmal blutjunge und doch problembeladene 30 Jahre alt - inzwischen feiert diese ihren 60. Geburtstag und aus den "Nebenwirkungen" sind "Ersatzteile" geworden. Für eine Traumfrau natürlich eine Zumutung! Amüsant und geistreich ist Amelie Fried übrigens nicht nur in ihren Bestsellern, sondern auch im richtigen Leben.

Wie gehen Sie damit um? Ist die 60 eine Zahl, die nervös macht?

Amelie Fried: Naja, wenn ich mich so daran erinnere, wie ich als Kind oder als junge Frau 60-Jährige empfunden habe, dann ist das ein bisschen seltsam. Vor meinem geistigen Auge sah ich da alte Frauen mit grauen Haaren, beigen Windjacken und Gesundheitsschuhen und dieses Bild hat überhaupt nichts mit dem zu tun, wie ich mich fühle. Ich bin nun schon ein bisschen über 60 Jahre alt und diese Schere zwischen der Selbstwahrnehmung, wie man sich selber empfindet und wie einen die anderen offenbar wahrnehmen und zum Teil auch spiegeln, das ist eine interessante neue Erfahrung, mit der hatte ich nicht gerechnet.

Woran liegt das? Haben Sie eine Erklärung dafür?

Fried: Ich denke, dass sich in der letzten Generation eine Menge verändert hat, wie Frauen altern. Tatsächlich war es so, dass die Generation meiner Mutter und Großmutter mit 60 Jahren wirklich eine alte Frau war. Ich glaube, heute gibt es einfach so viel mehr Möglichkeiten, wie man altert, wie man dieses Alter gestaltet, wie man mit sich, seinem Körper und seinem Geist umgeht. Da hat sich eine Menge getan. Die Gesellschaft tut sich ein bisschen schwer da hinterherzukommen, die geht nach den Zahlen und sagt: 60 ist alt. Dann sehen Sie eine Frau und interessieren sich gar nicht mehr dafür, wie sie ist, was sie für eine Persönlichkeit hat und was sie kann, sondern sie ist 60 Jahre alt und damit ist sie alt, fertig.

"Traumfrau mit Ersatzteilen"' heißt Ihr neues Buch. Cora Schiller, die Protagonistin ist 60 Jahre alt geworden. Viele blicken mürrisch in die Zukunft, klagen, weil sie das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben. Was können wir von Cora Schiller oder von Ihnen lernen?

Fried: Meine Hauptfigur Cora und ich bemühen uns beide, mehr das zu sehen, was da ist, und nicht so sehr das, was fehlt. Das gelingt nicht immer, das wissen wir alle. Aber sich auf das zu konzentrieren, was noch geht, was schön ist, was man noch gestalten und machen kann und das Leben wirklich zu schätzen und auszuschöpfen - das ist die Haltung, mit der man in dieser Lebensphase am besten fährt. Außerdem muss man vor allem über sich lachen können. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung, diese Phase seelisch gesund zu überstehen. Denn sie ist natürlich verbunden mit allen möglichen Unwägbarkeiten: körperlichen Zipperleins, Verlusten auf der menschlichen Ebene. Man verliert Menschen, die sterben und man verliert Menschen, mit denen die Freundschaft zerbricht. Auf der materiellen Ebene braucht man nur die Welt angucken - keiner weiß, was noch alles passiert. Es kann ja auch sein, dass es morgen den nächsten Börsencrash gibt und all unsere Altersversorgung weg ist, das wissen wir alle nicht. Aber sich eben nicht auf solche Katastrophenszenarien zu fokussieren, sondern zu sagen, jetzt und hier ist alles gut und morgen sehen wir weiter - das ist eine ganz gesunde Haltung und die übe ich auch.

Das Gespräch führte Claudia Christophersen.

Weitere Informationen
Die Violinistin Lisa Batiashvili ist zu Gast in der NDR Talk Show am 19. August 2022. © NDR Fernsehen/ Uwe Ernst Foto: Uwe Ernst

Lisa Batiashvili über Ideen die Kulturbranche attraktiver zu machen

Die Star-Geigerin spricht über ihr neues Album "Secret Love Letters" und über die von ihr gegründete Lisa Batiashvili Foundation. mehr

Tobias Haberl  im Porträt © Olaf Unverzart / Piper Verlag

Schriftsteller Tobias Haberl - Wie kann man überzeugend Mann sein?

Frauen kämpfen seit Jahrzehnten um Akzeptanz und Gleichberechtigung - Publizist Tobias Haberl hinterfragt das als Mann. mehr

Eine junge Frau mit dunkel braunen langen Haaren schaut frontal in die Kamera. Sie sieht ernst aus. © Peter Hartwig / courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin Foto: Peter Hartwig / courtesy Galerie EIGEN+ART Leipzig/Berlin

Malerin Kristina Schuldt: Ihre Bilder sind farbenfroh und großformatig

Die Leipziger Künstlerin Kristina Schuldt gehört in Deutschland zu den interessantesten Malerinnen ihrer Generation. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 14.10.2022 | 13:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Romane

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die spannendsten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Dana von Suffrin, Michael Köhlmeier und Bernardine Evaristo. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Der Filmemacher Andreas Dresen steht vor einer Plakatwand des Filmkunstfestes Mecklenburg-Vorpommern. © Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern Foto: David Harms

Filmpreis "Fliegender Ochse" geht an "In Liebe, Eure Hilde"

Regisseur Andreas Dresen hat beim Filmkunstfest MV in Schwerin den Hauptpreis im Spielfilmwettbewerb verliehen bekommen. mehr