Ein Segelboot ist auf der Elbe bei Blankenese vor einem riesigen Containerschiff der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd zu sehen. © picture alliance / dpa Foto: Marcus Brandt

Kieler Unternehmen entwickelt Schutz vor Biofilm

Stand: 05.03.2022 06:00 Uhr

Mit einem Ultraschallsystem will ein Kieler Unternehmen die Prozesse in der Schifffahrt und Lebensmittelindustrie revolutionieren.

von Karen Münster

Jedem Segler dürfte die Ansiedlungen von Pocken, Algen oder Muscheln, die sich unterhalb der Wasserlinie am Schiffsrumpf festsetzen, bekannt sein. Für Reeder ist dieses Problem aber mehr als eine Frage der Ästhetik, denn das zusätzliche Gewicht der Meereslebewesen erhöht den Treibstoffverbrauch eines Schiffs. Grundlage für die Ansiedlung der Meerestiere ist der leicht schmierige, sogenannte Biofilm. Er entsteht schon nach kurzer Zeit an Oberflächen, die mit Wasser in Kontakt waren oder es noch immer sind. Bisher haben Reedereien diesen schmierigen Film bei Containerschiffen vor allem mit schädlingsbekämpfenden oder schwermetallhaltigen Anstrichen behandelt. Doch das belastet die Ozeane, denen steigende Wassertemperaturen und Mikroplastik ohnehin schon schwer zusetzen.

Ultraschall gegen Biofilm

Eine mit Korallen belegte Schiffsschraube unter Wasser im Hamburger Hafen. © Screenshot
Mit Hilfe des Ultraschalls sollen solche Ablagerungen an Schiffsschrauben verhindert werden können.

Eine umweltfreundlichere Alternative ist die Nutzung von Ultraschall. Seit 2016 entwickelt das Kieler Unternehmen "Hasytec" ein eben solches System, mit dem bereits das Entstehen eines Biofilms verhindert werden kann. Hierfür wird ein Schallgeber an entsprechender Stelle angebracht, zum Beispiel innen am Schiffsrumpf. Anschließend sendet der Schallgeber Schallwellen aus, welche die Oberfläche durchdringen und im Wasser diffundieren. Dort zerstören sie die Zellmembran der einzelligen Lebewesen und verhindern somit präventiv die Entstehung von Biofilmen. In der Container-Schifffahrt helfen die Ultraschall-Module vor allem dabei, Leitungen, Innenwände und Schrauben freizuhalten. So kann auf entsprechende Anstriche und schädlingsbekämpfende Maßnahmen verzichtet werden.

System verhindert Verbreitung invasiver Pocken

Durch die Anwendung des Systems können Reedereien aber nicht nur etwaige Reinigungskosten in Millionenhöhe sparen. Es trägt auch zum Schutz der maritimen Ökosysteme bei. "Mit der Technologie verhindern wir auch das Einschleppen fremder Arten, was enorme Auswirkungen haben kann", so der Geschäftsführer Jan Kelling. Denn die Ausbreitung invasiver Pocken wird durch die Containerschifffahrt begünstigt und ist mittlerweile zu einem globalen Problem geworden. Frachtschiffe, die Hoheitsgewässer von Australien und Neuseeland erreichen, müssen beispielsweise bereits nachweisen, dass sie frei von einem Pockenbefall sind. Auch in anderen Ländern gibt es bereits entsprechende Gesetzgebungsverfahren.

Zudem wird mithilfe der Ultraschallanlagen der Treibstoffverbrauch und die CO2-Emission der Schiffe gesenkt. Bisher kommt das Verfahren des Kieler Unternehmens bei rund 400 Schiffen zum Einsatz. 350.000 Euro kostet ein System für den Rumpf eines Schiffes. "Es sollen aber noch mehr werden", so Kelling. Man sei momentan auf der Suche nach Kooperationspartnern für Vertrieb und Anbau der Anlagen in den Häfen der Welt. Erste Partnerbetriebe gebe es bereits.

Einsatz auch in Lebensmittelindustrie

Zwei Hände schrauben an einer blauen Box der Firma Hasytec in der zahlreiche Platinen zu sehen sind. © Screenshot
15.000 bis 20.000 Euro kostet ein System mit acht Ultraschallköpfen.

Doch nicht nur in der Schifffahrt, auch in der Lebensmittelindustrie wird das Verfahren aus Kiel von Unternehmen bereits eingesetzt. Insbesondere dort, wo Lebensmittel gewaschen, verarbeitet oder eingefroren werden. Erste Getränkehersteller nutzen die Ultraschallsysteme zudem in ihren Flaschenreinigungsanlagen. Sowohl Maschinen als auch Flächen werden mit der Ultraschalltechnik kalk- und damit auch bakterienfrei. In Zukunft wollen die Kieler ihr Angebot noch weiter ausbauen. "Eine ganz große Vision ist natürlich, das auch in der Trinkwasserversorgung einsetzen zu können. In jedem Prozess mit Wasser sind die Probleme ähnlich. Wenn wir da helfen können, sind wir sehr glücklich", so Geschäftsführer Andreas Hoffmann.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.03.2022 | 19:30 Uhr

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