Stand: 23.02.2023 18:00 Uhr

1936: Vorbereitung des Kriegs und Olympische Spiele

von Hajo Funke, Politikwissenschaftler

Hitler erweckt in diesem Jahr 1936 den Anschein von Frieden und erfährt insbesondere mit den Olympischen Spielen eine Welle internationaler Anerkennung. (Nachama 2021: 102–111, auch im Folgenden) Eine der ersten Aktionen des Jahres 1936 war indes die militärische Besetzung des Rheinlands und damit der Bruch des Versailler Vertrags, gegen den er seit jeher als Unterwerfungsvertrag agitiert hatte. Im vor allem ökonomischen Vierjahresplan geht es der NS-Führung um militärische Aufrüstung und damit um die Vorbereitung eines großen Kriegs. Das Reich mischt sich auf Anfrage des in Bedrängnis geratenen faschistischen Putsch-Generals Franco in Spanien militärisch ein.

In den gefälschten "Tagebüchern" für das Jahr 1936 geht es um die Besetzung des Rheinlands, außerdem um Konflikte, Korruption, Intrigen innerhalb der NSDAP, auch um die Vorbereitung der 11. Olympischen Spiele. Im Juli erwähnt Kujau die zehnjährige Wiederkehr des 1. Reichsparteitags, die in Weimar ausgiebig gefeiert wird. General Franco bittet mehrfach um auch militärische Unterstützung im Spanischen Bürgerkrieg. Der August ist durch die Olympischen Spiele bestimmt. Das "Tagebuch" berichtet im Oktober vom Vierjahresplan, von der Achse Berlin - Rom, dem Antikominternvertrag mit Japan, im November vom Besuch der Feldherrnhalle in München sowie der NS-Ordensburg und Schulungsstätte Vogelsang in der Eifel - und nicht von der steten Radikalisierung antijüdischer Politik. (Friedländer 1998: 245 ff.)

Besetzung des Rheinlands am 7. März 1936

Am 7. März 1936 besetzte die Wehrmacht die entmilitarisierte Zone des Rheinlands und brach damit die Verträge von Versailles und Locarno, ohne den Widerstand Frankreichs und Großbritanniens zu erfahren, die bis dato die dominierenden Mächte in Europa gewesen waren. Hitler bekam dafür im Reichstag stürmischen Beifall.

Dazu Kujau, TB 8.3.1936: "Ich danke dem Herrgott für meinen Entschluß schnell gehandet [sic] zu haben und für das Gelingen des Unternehmens Rheinland. Adolf Hitler

Das Volk im Reiche steht hinter mir. Nun hat auch Blomberg seine Scheu verloren. Ich habe ein Recht, unser Reich vor den Bedrohung zu schützen, die durch den russisch-französischen Plan entstanden ist. Da können diese alten verkalkten Männer im Völkerbund machen was sie wollen, ich habe das Recht auf meiner Seite."

Unterstützung Francos im Spanischen Bürgerkrieg

Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele Anfang August 1936 stand zur Entscheidung an, ob Hitler dem putschenden faschistischen General Franco in Spanien auch militärische Hilfe zuteilwerden lassen sollte. Hitler entschied sich dazu, nicht zuletzt durch die Aufstellung der Legion Condor und durch die Bombardierung der Stadt Guernica im folgenden Jahr. Ihm ging es dabei um die Bekämpfung des für ihn bedrohlichen Kommunismus - nicht nur im zukünftigen Kampf im Osten, sondern auch im Südwesten Europas. Ein Sieg der Republikaner in Spanien würde die Eroberungspläne Hitlers, seinen beabsichtigten großen europäischen Krieg im Westen wie im Osten, gefährden.

Kujau stellt dies so dar:

TB 31.7.1936: "(…) Persönliches – Ich persönlich bin noch immer gegen die Entsendung deutscher Soldaten nach Spanien. General Franco kann für seinen Kampf materialistische Hilfe bekommen aber keine deutschen Männer. Habe auch Göring und v. Blomberg darauf aufmerksam gemacht, ja ich habe sie immer wieder bekniet, keine Soldaten zu schicken. Wie wird uns das deutsche Volk dies zeigen, ob und wie es über die Sache denkt, daß deutsche Männer in Spanien kämpfen sollen? Gerade Pg. Göring befürwortet die Entsendung von Truppen. Eines aber habe ich durchgesetzt, die Männer gehen freiwillig und kämpfen nicht in deutscher Uniform."

Es verhielt sich tatsächlich eher umgekehrt: Hitler hatte aus ideologischen Gründen - Kampf gegen den Bolschewismus - weniger Bedenken und überdeckte die zögerlichen Haltungen einiger Generäle. (Kershaw 2000: 49)

Olympische Spiele im August 1936

Die Inszenierung der Olympischen Spiele in dem dazu hergerichteten Berliner Olympiastadion präsentierte der Welt nach außen ein friedliches und freundliches Deutschland, während zugleich das Konzentrationslager der Reichshauptstadt in Sachsenhausen gebaut und betrieben wurde. Symbolisch zeigte sich das Doppel von friedlicher Beschwichtigung und militaristischer, rassistischer "Lebensraum"- und Kriegsplanung, als Hitler unmittelbar vor Beginn der Spiele der tausenden "Märtyrer" gedachte, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren.

Nach monatelangen, von internationalen Beobachtern genau registrierten Übergriffen auf Jüdinnen und Juden war für die NS-Führung klar, dass Versöhnungsgesten und nachlassende Aggression im Vorfeld und während der Spiele nur vorübergehend sein sollten. Doch selbst in dieser Phase der diplomatischen Zurückhaltung wurde an der Praxis eines diskriminierenden, verfolgenden Antisemitismus festgehalten: Juden sowie Sinti und Roma wurden, abgesehen von unvermeidbaren Ausnahmen, von den Olympischen Spielen aus- bzw. weggeschlossen. So wurde etwa die jüdische Leichtathletin Gretel Bergmann, Deutschlands beste Hochspringerin, zwar zunächst offiziell und demonstrativ nominiert, erhielt dann aber keine Starterlaubnis. Das durch nichts begrenzte nationalistische Selbstbewusstsein erst recht nach der weltweiten Anerkennung der Olympischen Spiele wurde dann auf dem Reichsparteitag der Ehre im September zelebriert.

Kujau dazu, TB August 1936: "August 1936. Nachtrag v. 4. 1. Empfang für das Intern. Olympische Komitee bei mir in der Reichskanzlei. Rede des Grafen und besondere Dankesworte des Präsidenten des Olympia Komitees Graf de Baillet-Latour. Im Anschl. meine Rede. Am Nachmittag gegen 4 Uhr Eröffnung der XI. Olympiade. Die Mannschaften von 52 Nationen ziehen ins Stadion ein. (…) Rede des Präsidenten des Olympia Komitees. Ich eröffne die Spiele. Ich verkünde die Spiele von Berlin zur Feier der XI. Olympiade neuer Zeitrechnung als eröffnet. Das olympische Feuer wird angezündet. Einige Telegramme in meinen Namen im Namen des deutschen Volkes und im Namen der Reichsregierung. 2. Empfange Sportler und Gäste der XI. Olympiade. Besuche Wettkämpfe. 3. Empfange Gäste der Olympiade. Besuche Wettkämpfe. 4. Empfänge. Besuch von Wettkämpfen. 5. Besuche nur noch einzelne Wettkämpfe. Das Echo in den Zeitungen der ganzen Welt ist ein einziges Lob für uns Deutsche."

Hitler war tatsächlich von der von ihm betriebenen Inszenierung begeistert. Er sah sich - erst recht nach dem Bruch der Verträge von Versailles und Locarno - auf dem Höhepunkt seiner Macht und der internationalen Anerkennung und betrieb mit allen ökonomischen und politischen Mitteln die Aufrüstung und Ausdehnung der Wehrmacht. Aber selbst hier kann es Kujau nicht unterlassen, seinen Hitler weiter aufzuwerten. Mitten in der Passage und ohne Ironie kommt ein perplexer Führer zu Wort, TB August 1936: "Alle Mannschaften grüßen zur Ehrentribüne hin mit unserem deutschen Gruß, was mich sehr überrascht".

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