"Fritz X" und Co.: Waffen im Schatten der "V2"
Im Historisch-Technischen Museum Peenemünde auf Usedom werden von Donnerstag an in einer Sonderausstellung die Fernwaffenprojekte des nationalsozialistischen Rüstungsstandorts beleuchtet. Die Schau mit dem Titel "Wunder mit Kalkül" rückt neben der Entwicklung der sogenannten V2-Rakete auch die Arbeit der Luftwaffenversuchsstelle in den Fokus. Diese bisher weniger beachtete Facette der NS-Rüstungsschmiede umfasst unter anderem ferngesteuerte Präzisionsbomben und Defensivwaffen.
Peenemünde war mehr als Raketenproduktion
Nach Angaben von Kurator Philipp Aumann tritt die Ausstellung auch der falschen Vorstellung entgegen, Peenemünde sei allein ein Ort der Raketenproduktion gewesen. "Diese Vorstellung war eine nachträgliche Überformung in der Zeit der Raketen-Euphorie in den 1960er- und 70er-Jahren", so der Historiker. Die seinerzeit erschienenen Biografien Wernher von Brauns und Walter Dornbergers, den führenden Köpfen der Heeresversuchsanstalt, hätten maßgeblich zu dieser Einschätzung geführt.
Waffen als "Wunder der Technik"
Die Ausstellung dokumentiere, wie Peenemünde zu einem Ort entwickelt wurde, an dem das von den Nationalsozialisten angestrebte "Wunder der Technik" industriell realisiert werden sollte, so Aumann. Ausgangspunkt für diese Entwicklung sei 1935 die Überlegung der Nationalsozialisten gewesen, dass Nazi-Deutschland Kriege gegen überlegene Volkswirtschaften nur mit neuartigen Waffensystemen bestehen könne. Peenemünde war von 1936 bis 1945 ein Rüstungszentrum enormen Ausmaßes, in dem bis zu 12.000 (Zwangs-)Arbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene eingesetzt wurden.
Peenemünder Lenkbombe versenkte Kriegsschiffe
Am Nordzipfel Usedoms seien neben der Flugbombe "V1" und der Rakete "V2" auch andere Waffentechnologien erprobt und weiterentwickelt worden, sagte Aumann. "Während die Heeresversuchsanstalt selbst entwickelte und produzierte, baute die Luftwaffe auf eine enge Zusammenarbeit mit der Industrie." Viele neue Technologien seien von der Versuchsstelle getestet und zu neuen serienreifen Waffen entwickelt worden - beispielsweise die "Fritz X" des Unternehmens Ruhrstahl, die als erste in Serienproduktion hergestellte Lenkbombe der Welt gilt. Im September 1943 wurden mit dieser Waffe zwei Kriegsschiffe zerstört, später wurde sie unter anderem auch zur Bombardierung von Oder-Brücken eingesetzt.
Erster elektronischer Analog-Computer
In der Ausstellung sind insgesamt rund 130 Objekte - darunter viele in der Umgebung gefundene Bomben- und Raketenteile -, Fotos und Filme zu sehen. Auch der Nachbau des ersten elektronischen Analog-Computers zur mathematischen Simulation eines Raketenfluges - 1942 von Helmut Hölzer in Peenemünde entwickelt - wird gezeigt. Die Ausstellung ist bis November zu sehen.
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