Die historische St.-Johannes-Kirche am Marktplatz im Ortskern von Bad Zwischenahn, fotografiert durch ein gusseisernes Zaunelement. © picture alliance/dpa Foto: Hauke-Christian Dittrich

Im Mai 1945 rettet ein Pastor Bad Zwischenahn

Stand: 01.05.2025 05:00 Uhr

Kurz vor Kriegsende droht Bad Zwischenahn die komplette Zerstörung. Doch ein mutiger Pastor rettet den Ort am 1. Mai 1945 davor, weil er erfolgreich zwischen Deutschen und Alliierten vermittelt.

Bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Blutstropfen kämpfen die  deutschen Soldaten im Nordwesten Deutschlands. Noch im April 1945 versuchen sie erbittert, die 4. Kanadische Panzerdivision aufzuhalten - mit furchtbaren Folgen. Friesoythe wird dem Erdboden gleichgemacht. Edewecht ist zerstört - mit Hunderten Toten und Tausenden Stück verendeten Viehs. Kurz vor Kriegsende droht Bad Zwischenahn dasselbe Schicksal. Doch ein mutiger Pastor rettet den Ort vor der Zerstörung, weil er erfolgreich zwischen den Fronten vermittelt.

AUDIO: Wie Bad Zwischenahn verschont wurde (3 Min)

Pastor wird zum Unterhändler im "netten Ort"

30. April 1945: Der Edewechter Pastor Wilhelm Schulze wird zum kanadischen Major gerufen. Schulze spricht Englisch und ist zuvor zum provisorischen Bürgermeister ernannt worden. Die Kanadier wollen den, wie sie sagen, "netten Ort" Bad Zwischenahn verschonen - falls die deutschen Truppen kampflos abziehen. Der damals 33 Jahre alte Pastor erklärt sich sofort bereit, als Unterhändler zu vermitteln - als sogenannter Parlamentär. "Ein lebensgefährliches Unterfangen", erzählt seine Tochter Hanna Kunze dem NDR 2015.

Deutsche Soldaten bedrohen den Pastor

Pastor Schulze geht durch die Hauptkampflinie, um den Deutschen das Angebot der Kanadier zu überbringen. Die Soldaten nehmen ihn fest und bedrohen ihn mit dem Tod, erzählt sein Sohn Hartmut - er war damals fünf Jahre alt. Der Pastor wird im Haus verhört. Später wird man im Garten ein frisch ausgehobenes Grab entdecken. Hartmut Schulze sagt 2015: "Allen war klar, für wen das bestimmt war." Quälend lange Stunden verstreichen. Hanna Kunze erzählt: "Die Kanadier hatten gesagt, wenn der Parlamentär bis um 6 Uhr morgens des 1. Mai nicht zurück ist, wird der Ort eingenommen." Das Ultimatum verstreicht.

Die Kanadier marschieren in die Stadt

Postkarte mit der Windmühle in Elmendorf (Bad Zwischenahn) als Motiv (um 1942) © picture alliance / arkivi
Am 1. Mai 1945 rücken die Kanadier in Bad Zwischenahn ein.

Wie Pastor Schulze das fast Unmögliche gelingt, ist nicht mehr rekonstruierbar. Aber irgendwie kann er den Deutschen Divisions-Kommandeur dazu bewegen, kampflos den Rückzug anzutreten. Am Vormittag des 1. Mai 1945 rücken die Alliierten in Bad Zwischenahn ein. An der Spitze geht Pastor Schulze. Er schwenkt eine weiße Fahne und ruft der Bevölkerung zu: "Wenn kein Schuss in Zwischenahn fällt, dann wird die Stadt verschont."

Der Major bedankt sich

Es bleibt ruhig, alles geht gut. Ein denkwürdiger Tag für alle, die dabei waren, berichtet Hartmut Schulze. Er erinnert sich daran, wie stolz die Familie auf seinen Vater war. "Wenn Onkel Karl davon erzählte, wie er unseren Vater in Bad Zwischenahn über die Lange Straße quasi einmarschieren sah, dann kamen ihm auch nach Jahren immer noch die Tränen", erzählt er. Am Ende dankt der kanadische Major Stubbs dem Deutschen mit einem Händedruck: "You have done a great work this night", soll er gesagt haben.

Ehrungen für Pastor Schulze

Aus Dankbarkeit über diesen Ausgang und als Ehrung für seinen Einsatz benennt die Gemeinde Bad Zwischenahn 2005 eine Straße nach Pastor Schulze, der 1990 gestorben ist. 2016 wird eine Gedenktafel der Öffentlichkeit übergeben. Sie erinnert ebenfalls an Schulze und das Kriegsende.

Die Urfassung dieses Beitrags wurde bereits 2015 veröffentlicht.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 01.05.2015 | 19:30 Uhr

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