Unterricht in einer Dorfschule der 1950er-Jahre © picture-alliance / dpa

Arzt, Lehrer, Pastor - die Autoritäten auf dem Land

Stand: 12.07.2022 10:10 Uhr

Wer früher auf dem Land ein Problem hatte, wandte sich meist an den Landarzt, Lehrer oder Pastor. Sie genossen Respekt. Doch mit dem Zerfall der Dorfgemeinschaft veränderte sich ihre Arbeit und auch ihr Image.

Die medizinische Versorgung etwa war auf dem Land lange nicht selbstverständlich. Krankheiten wurden in der Familie mit Hausmitteln wie Kräutern behandelt. Manchmal mit Erfolg, doch die Wirkung war begrenzt und nicht wenige Menschen starben früh.

Der Landarzt - Helfer in größter Not

Damals wie heute genießen Landärzte hohes Ansehen. Doch nur in schweren Fällen und bei entsprechendem Wohlstand wurde früher der Arzt geholt, der dann per Kutsche ins Haus kam. Aber auch seine Möglichkeiten waren bescheiden. Wichtige Medikamente, wie etwa das Antibiotikum Penicillin, wurden erst im 20. Jahrhundert entwickelt. So blieb den Ärzten früherer Zeiten oft wenig mehr, als grundlegende Regeln der Hygiene weiterzugeben. Viele Neugeborene starben noch im Säuglingsalter und die Lebenserwartung von Erwachsenen betrug bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur etwa 40 Jahre.

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Ärzte bekommen mehr Zulauf

Erst mit Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung Ende des 19. Jahrhunderts wurde medizinische Versorgung in Deutschland allmählich zum Allgemeingut. Dennoch suchten viele Menschen den Arzt ausschließlich bei ernsten Krankheiten auf. Manch älterer Mensch war nie in Behandlung. Heute halten Ärzte gut besuchte Sprechstunden ab, immer mehr Krankheiten lassen sich kurieren und für schwere Fälle stehen Kliniken bereit. Der Beruf des Landarztes stößt bei jungen Medizinern dennoch auf wenig Interesse. Sie spezialisieren sich lieber und lassen sich dann in Städten nieder. So muss manche Praxis schließen, wenn sich der Dorfdoktor zur Ruhe setzt.

Der Dorflehrer - einer für alle

Die Dorfschule kennen viele Kinder nur noch aus Erzählungen ihrer Großeltern. Heute ersetzt Mobiliät Nähe, Busse fahren Kinder kilometerweit zu zentralen Schulen. Lehrer an Dorfschulen gibt es kaum noch. Dort wurden häufig Kinder mehrerer Jahrgänge in einem Klassenraum gemeinsam unterrichtet. Die Ausstattung war spartanisch, die Regeln streng. Noch bis in die 1960er-Jahre, in Bayern sogar bis 1980, war die Prügelstrafe erlaubtes Erziehungsmittel.

Das Schulwesen verbreitete sich in Deutschland nur schleppend. Die vielen Kleinstaaten regelten Bildungsfragen höchst unterschiedlich. Teilweise gab es ab dem 16. Jahrhundert eine Schulpflicht für Jungen, vielfach gar keine. Flächendeckende Bildung scheiterte nicht nur am fehlenden Geld für Gebäude und Lehrer, sondern häufig auch am Willen der Eltern. Schließlich dienten Kinder auf dem Land als Hilfskräfte in der Landwirtschaft. Erst ab 1919 galt laut Weimarer Verfassung eine allgemeine Schulpflicht - für Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft. Lehrer waren nicht nur anerkannte Experten in pädagogischen Fragen. Die Landbevölkerung schätzte sie auch als Ratgeber im Umgang mit Behörden.

Der Pfarrer - Glaube und Hoffnung

Hände halten ein Holzkreuz © picture-alliance/ dpa/dpaweb
Weniger Gläubige, weniger Einnahmen: Die Kirche muss sparen.

Die Kirche stand im Zentrum des Dorfes und mit ihr der Pfarrer. Der Herr Pastor kannte Sorgen und Nöte seiner Mitmenschen. Ob Taufe, Hochzeit oder Beerdigung - er begleitete sie von der Geburt bis zum Tod. Der Sonntagvormittag gehörte der Kirche. Wer nicht selbst am Gottesdienst teilnehmen konnte, ließ sich mindestens von einem Familienmitglied vertreten. So war die Kirche nicht nur zu Weihnachten gut gefüllt. Später wandten sich immer mehr Menschen von der Kirche ab. Längst hat nicht mehr jeder Ort seinen Pfarrer, Kirchengemeinden werden zusammengelegt, Gotteshäuser sind spärlich besucht.

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