Walter Bruch demonstriert in den 60ern im ZDF das das von ihm erfundene PAL-Farbfernsehsystem. © picture-alliance/ dpa Foto: Roland Witschel
Walter Bruch demonstriert in den 60ern im ZDF das das von ihm erfundene PAL-Farbfernsehsystem. © picture-alliance/ dpa Foto: Roland Witschel
Walter Bruch demonstriert in den 60ern im ZDF das das von ihm erfundene PAL-Farbfernsehsystem. © picture-alliance/ dpa Foto: Roland Witschel
AUDIO: 1967 startet Willy Brandt das deutsche Farbfernsehen (15 Min)

Das bunte Fernsehen stammt aus Hannover

Stand: 03.01.2023 05:00 Uhr

In den frühen 60ern entwickelt Walter Bruch bei Telefunken in Hannover das Farbfernseh-System PAL. Mit der Präsentation am 3. Januar 1963 in Hannover gewinnt er einen weltweiten Wettlauf um die neue Technik. Der Name "Bruch-System" widerstrebt ihm aber.

Die ganze Welt in Schwarz-Weiß? Das ist für deutsche Fernsehzuschauer bis 1967 Alltag - Farbfernsehen gibt es nicht. In den Forschungslabors der Industrie tüfteln Ingenieure allerdings seit Jahren daran, bunte Bilder auf die Mattscheibe zu bringen. So auch bei Telefunken in Hannover. Dort arbeitet ein Team um den Elektrotechniker Walter Bruch an dieser Aufgabe und präsentiert am 3. Januar 1963 Experten der Europäischen Rundfunkunion das Ergebnis: Farbfernsehen nach dem PAL-System.

Walter Bruch ist vom Fernsehen fasziniert

Bruch, am 2. März 1908 in Neustadt an der Weinstraße als Sohn eines Apothekers geboren, wächst in München auf und absolviert in einer Schuhfabrik eine Lehre als Maschinenbauer. Sein Interesse gilt jedoch der Funktechnik. So beginnt er mit 20 Jahren am Technikum im sächsischen Mittweida eine Ausbildung zum Elektrotechniker, die er 1930 abschließt. Die noch junge Fernsehtechnik fasziniert Bruch, der inzwischen in Berlin lebt und an der Universität Vorlesungen hört. Dort lernt er auch Manfred von Ardenne kennen, den Erfinder des elektronischen gesteuerten Fernsehgerätes. Von 1933 an arbeitet Bruch im Labor eines weiteren Fernsehpioniers: Dénes von Mihály.

Einsatz bei Olympischen Spielen 1936 - und dem Militär

Ein Kamerateam im August 1936 filmt während der Olympischen spiele in Berlin die 100-Meter-Läufe. © picture-alliance / akg-images
Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin sind das erste im Fernsehen übertragene Großereignis. Das NS-Regime nutzt Veranstaltungen und Bilder für Propaganda-Zwecke.

1935 wechselt Bruch zu Telefunken und ist an der Entwicklung einer Fernsehkamera für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin beteiligt. Während der Wettbewerbe steht er als Kameramann hinter dem Ungetüm, das als "Olympiakanone" in die Technikgeschichte eingeht. Es liefert die ersten Fernseh-Livebilder.

Im Zweiten Weltkrieg arbeitet Bruch in Diensten des Militärs. Für die Heeresversuchsanstalt entwickelt er eine Anlage, um die Starts der V2-Rakete in Peenemünde am Bildschirm zu überwachen.

Der Wettlauf um das beste Farbfernsehen beginnt

1950 kehrt Bruch zu Telefunken zurück, jetzt allerdings als Chef der Entwicklungsabteilung für Fernseher in Hannover. Obwohl das Schwarz-Weiß-TV in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt und nur in wenigen Haushalten ein Empfänger steht, geht der technische Fortschritt voran. Amerika und Europa, Ost und West konkurrieren bereits um das beste Farbfernseh-System. Völlig neu ist es daher nicht, was Bruch 1963 auf den Monitoren zeigt. Bereits gut zehn Jahre zuvor hatten US-Forscher das NTSC-System entwickelt. Dabei tauchen jedoch immer wieder deutliche Farbfehler auf. Gesichter laufen schon mal grün an, eine Wiese färbt sich plötzlich bläulich. Den Konzernen ist klar: Wer diese Mängel beheben kann, steht vor einem riesigen Geschäft. So suchen die Techniker fieberhaft nach einer Lösung.

Telefunken lässt sich das PAL-System patentieren

Walter Bruch im Forschungslabor © Hans-Jürgen Kluth
Auf den begeisterten Forscher Bruch gehen Dutzende Patente zurück.

Telefunken richtet Bruch in Hannover sogar ein eigenes Forschungslabor unterhalb seines Privathauses ein, das sogenannte Pantoffellabor. Dort tüftelt er auch nach Feierabend und am Wochenende, verfolgt die Entwicklung in den USA und die Fortschritte des konkurrierenden französischen SECAM-Systems. Schließlich gelingt ihm der Durchbruch: Er optimiert ein bereits bekanntes Verfahren auf NTSC-Basis, das sogenannte PAL-System. Am 31. Dezember 1962 meldet Telefunken es als "Farbfernsehempfänger für ein farbgetreues NTSC-System" beim Deutschen Patentamt an. Auf die Frage, warum die Technik nicht nach ihm benannt sei, antwortet der Entwickler später: Ein Bruch-System hätte wohl niemand kaufen wollen.

Phase Alternating Line (PAL)

Kritiker werfen Bruch und dem Telefunken-Konzern später vor, sie hätten sich eine bereits bekannte Technik patentieren lassen und erfolgreich vermarktet.

Willy Brandt gibt den Startschuss - mit Panne

Vizekanzler Willy Brandt startet am 25. August 1967 auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin das Farbfernsehen. © picture-alliance/dpa
Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin startet Willy Brandt am 25. August 1967 offiziell das Farbfernsehen in Deutschland.

Bis zur Einführung des Farbfernsehens in Deutschland vergehen noch einmal mehr als vier Jahre. Am 25. August 1967 gibt der damalige Bundesaußenminister und Vizekanzler Willy Brandt auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin den Startschuss für die farbigen Bilder auf der Mattscheibe. Der Knopf, den Brandt drückt, ist allerdings nur eine Attrappe. Der Techniker hinter der Bühne betätigt den echten Schalter etwas zu früh und so wird das deutsche Fernsehen bereits einige Sekunden vor dem Knopfdruck Brandts farbig. Allerdings bekommt nur eine Handvoll Zuschauer die Panne mit, denn nur wenige Haushalte verfügen bereits über das entsprechende Fernsehgerät. Für den endgültigen Durchbruch des Farbfernsehens in Deutschland sorgt erst die Fußball-Weltmeisterschaft 1974, die viele Deutsche zum Anlass nehmen, sich ein Farbfernsehgerät zu kaufen.

Walter Bruch erhält große Anerkennung

Walter Bruch wird für seine Entwicklung vielfach ausgezeichnet. 1964 verleiht ihm die Universität Hannover die Ehrendoktorwürde, eine Hochschule im Saarland 1968 eine Ehrenprofessur. Im selben Jahr bekommt Bruch das Große Bundesverdienstkreuz und in Hannover ist eine Straße nach ihm benannt. Mehr als 120 Patente gehen auf den Erfinder zurück - sein wichtigstes bleibt das Farbfernseh-System PAL. Es verkauft sich weltweit in viele Staaten. Auch als Bruch 1976 in den Ruhestand geht, arbeitet er weiterhin in zahlreichen technischen Ausschüssen und Kommissionen mit.

Am 5. Mai 1990 stirbt Walter Bruch im Alter von 82 Jahren in Hannover.

Weitere Informationen
Werner Pleister, Fernseh-Intendant des NWDR, beim Programmstart am 25. Dezember 1952. © NDR

Als sich das Fenster zur Welt öffnete

In einem Hamburger Hochbunker startet 25. Dezember 1952 das deutsche Fernsehen. Im Studio ist es heiß wie in der Sauna - und kaum einer schaut zu. mehr

Vizekanzler Willy Brandt startet am 25.8.1967 auf der 25. Deutschen Funkausstellung das Farbfernsehen © picture-alliance/dpa Foto: Willi Gutberlet

Als das Fernsehen Farbe bekam

Mit einem symbolischen Knopfdruck startet Willy Brandt 1967 das deutsche Farbfernsehen. Die Technik stammt von Telefunken aus Hannover. mehr

Fernseh-Pionier Manfred von Ardenne im Jahr 1930 in seinem Forschungslabor. © picture alliance/ IMAGNO/Austrian Archives (S) Foto: Austrian Archives (S)

Manfred von Ardenne - Herr des Fernsehens

Am 22. August 1931 zeigt der Hamburger Erfinder Manfred von Ardenne auf der Berliner Funkausstellung das erste elektronische Fernsehgerät. Seine Technik erobert die Welt. mehr

Ein Mann bedient in den 1950er-Jahren ein Fernsehgerät. © picture alliance / akg-images | akg-images Foto: Paul Almasy

Bewegte Bilder: Die Geschichte des Fernsehens

Bereits im 19. Jahrhundert wurden die technischen Voraussetzungen geschaffen. Ein Überblick anlässlich des Welttags des Fernsehens. mehr

Dieses Thema im Programm:

Klassisch in den Tag | 21.11.2019 | 06:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Die 60er-Jahre

Mehr Geschichte

Polizisten verschanzen sich hinter einem Polizeiauto. Männer stehen vor einem Im-und Exportgeschäft. © Staatsarchiv Hamburg Plankammer (720-1_388_00_79877_18)

Vor 50 Jahren fiel in Hamburg der erste finale Rettungsschuss

Ein Bankräuber nimmt am 18. April 1974 in Hamburg mehrere Geiseln. Als er nach draußen kommt, erschießen Polizisten den Mann gezielt. mehr

Norddeutsche Geschichte