VIDEO: Hitlers Zorn - Die Kinder von Bad Sachsa (60 Min)

Attentat vom 20. Juli 1944: Eine Bombe soll Hitler töten

Stand: 20.07.2021 09:14 Uhr

Am 20. Juli 1944 explodiert in Hitlers Hauptquartier in Ostpreußen eine Bombe. Doch der Versuch, ihn zu töten, scheitert. Dennoch gilt das Attentat heute als Symbol für den deutschen Widerstand.

von Dirk Hempel

Es ist 12.42 Uhr, als am Donnerstag den 20. Juli 1944 die Bombe explodiert, die Hitler töten soll. Endlich, nach jahrelangen Diskussionen, geheimen Vorbereitungen und gescheiterten Versuchen. Das verbrecherische Regime soll beseitigt, der blutige Zweite Weltkrieg beendet werden. Im "Führerhauptquartier" Wolfsschanze in Ostpreußen hat Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Sprengladung in einer Aktentasche unter dem Tisch platziert, in der Nähe des Diktators. Dann hat er den Besprechungsraum unter einem Vorwand verlassen und sich hastig auf den Weg zum Flugplatz im nahen Rastenburg gemacht. Der Oberst wird in Berlin von seinen Mitverschwörern erwartet. Dringend. Denn er soll den Staatsstreich leiten, der jetzt beginnt.

Bereits mehrere Attentatsversuche auf Hitler gescheitert

Pläne, den Diktator zu töten, haben hohe Militärs schon seit September 1938, als Hitlers Politik in der Sudetenkrise auf Krieg hinauszulaufen scheint. Aber die Einigung mit England und Frankreich auf der Münchner Konferenz vereitelt die Pläne vorerst.

Videos
Zwei Männer sitzen an einem Tisch und sprechen in Mikrofone.
14 Min

Zeitzeugen zum Hitler-Attentat im Bürgerbräukeller

Panorama 1965 zum Attentat auf Hitler 1939. 14 Min

Auch in den folgenden Jahren scheitern zahlreiche Attentatsversuche: Im November 1939 explodiert eine Bombe im Münchner Bürgerbräukeller, die der Schreiner Georg Elser versteckt hat, erst, nachdem Hitler bereits gegangen ist.

Im Juni 1940 wird in Paris eine Parade abgesagt, auf der Offiziere den Diktator erschießen wollen. Im März 1943 will sich ein Offizier mit Hitler in die Luft sprengen - doch der verlässt die Ausstellung, bevor der Attentäter handelt.

Der Widerstand ist lange gespalten

Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in einer Aufnahme um 1940. © picture alliance / akg-images
Angesichts der NS-Verbrechen wendet sich Stauffenberg dem Widerstand zu.

Von Anfang an existiert in Deutschland Widerstand gegen das Nazi-Regime. Aber Offiziere und Zivilisten, Konservative und Sozialdemokraten, Christen und Kommunisten haben kaum Gemeinsamkeiten und arbeiten nebeneinander im Verborgenen.

Erst im Verlauf des Krieges und unter dem Eindruck der Ermordung der Juden in den besetzten Gebieten Osteuropas schließen sich drei Gruppen enger zusammen: die Konservativen um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler und den nach der Sudetenkrise zurückgetretenen Generalstabschef Ludwig Beck; der christlich und sozialistisch geprägte Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke und der von hohen Offizieren getragene militärische Widerstand, in dem bald ein junger Oberst den Ton angibt: Graf Stauffenberg.

"Operation Walküre": Der Plan für den Umsturz

Hitler begrüßt General Fromm im Hauptquartier in der Wolfsschanze. Llinks im Bild Schenk Graf Stauffenberg, rechts Generalfeldmarschall Keitel © picture-alliance / akg-images
Im Hauptquartier in der Wolfsschanze traf sich Hitler mit dem Führungsstab der Wehrmacht - hier am 15. Juli 1944. Stauffenberg (im Bild links) gehörte zum inneren Kreis und konnte direkt mit dem Diktator in Kontakt treten.

Dem Nazi-Regime hat er zunächst nicht ablehnend gegenübergestanden, sich aber inzwischen zum erbitterten Gegner gewandelt, auch Verbindungen zu Sozialdemokraten und Kommunisten aufgebaut. Nun schmiedet er mit gleichgesinnten Offizieren, darunter zahlreiche Angehörige des deutschen Adels, den Plan für den Umsturz. Der heißt: "Operation Walküre".

Die Wehrmacht hat seit Kriegsbeginn Vorkehrungen getroffen, gegen mögliche Aufstände der Zivilbevölkerung vorzugehen. Das Ersatzheer, dessen Stabschef Stauffenberg ist, soll wichtige Orte besetzen, Verdächtige verhaften. Die Putschisten wollen nun diesen Plan benutzen, um nach der Ermordung Hitlers die Führer der SS, Gestapo und NSDAP auszuschalten. Nach dem Umsturz soll Beck Staatsoberhaupt, Goerdeler Reichskanzler werden. Auf eine Staatsform hat man sich jedoch noch nicht einigen können.

Stauffenbergs Anschlag auf Hitler missglückt

Am 20. Juli 1944 ist der Moment zum Handeln gekommen. Stauffenberg wird zum Vortrag bei Hitler ins Hauptquartier nach Ostpreußen bestellt. Unglücklicherweise kann er dort nur eine der beiden vorgesehenen Sprengladungen einsetzen. Dennoch zerreißt ein ohrenbetäubender Knall die sommerliche Mittagsstille im Wald. Gelbe und blaue Stichflammen lodern aus der Baracke, Glassplitter, Holzstücke, verkohlte Papierfetzen fliegen durch die Luft. Dann werden Rufe nach Ärzten laut.

VIDEO: Rückblick: Missglücktes Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 (3 Min)

Da ist Stauffenberg schon auf dem Weg zu seinem Fluchtauto, das ihn zum Flugplatz bringen soll. Dass Hitler überlebt hat, erfährt er erst Stunden später in Berlin. Dort ist der Umsturz vor seiner Ankunft inzwischen nur zögerlich angelaufen, "Walküre" verspätet ausgelöst worden. Der Putsch misslingt: Die Abriegelung des Regierungsviertels, die Verhaftung der SS- und Gestapo-Führung und die Einnahme des Deutschlandsenders scheitern.

Weitere Informationen
Kinderhäuser des NS-Kinderheims in Bad Sachsa inmitten einer Wiese. © Privatsammlung Ralph Boehm

"Sippenhaft": Wie Hitler sich an Kindern rächte

Nach dem gescheiterten das Attentat richten die Nazis die Widerstandskämpfer hin und verschleppen ihre Kinder in ein Heim nach Bad Sachsa. mehr

Hunderte Regimegegner verhaftet und getötet

Als der Rundfunk am Abend Hitlers Überleben meldet, wendet sich das Blatt vollends. Die Verschwörer werden im Bendlerblock, der Kommandozentrale des Ersatzheeres, festgenommen, Stauffenberg und drei weitere Offiziere noch in der Nacht erschossen. In den folgenden Tagen verhaftet die Gestapo überall im Land Tausende von Verschwörern, Helfern und Mitwissern. Monatelang werden vor dem "Volksgerichtshof" Prozesse geführt. Hunderte Regimegegner lässt Hitler hinrichten, ihre Angehörigen verschleppen.

Der blutige Krieg geht nach dem 20. Juli noch zehn Monate weiter, in denen fast doppelt so viele Menschen in Deutschland sterben wie in den fünf vorangegangenen Kriegsjahren, die Bombenkriegsschäden die der Vorjahre übertreffen, Städte wie Braunschweig, Kiel, Hildesheim und Dresden total zerstört werden. Und die SS in den Konzentrationslagern noch Hunderttausende Menschen ermordet.

Gedenken war jahrzehntelang problematisch

Im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin steht eine Statur. © http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de Foto: Dion Hinchcliffe
Im Innenhof des Bendlerblocks erinnert ein Mahnmal an die dort hingerichteten Verschwörer.

Die Gesellschaft der jungen Bundesrepublik tut sich zunächst schwer mit dem Gedenken an die Männer und Frauen des 20. Juli. Zu lange wirkt die Nazi-Propaganda von Eidbrechern und Vaterlandsverrätern nach. In der DDR wiederum, die den kommunistischen Widerstand in den Mittelpunkt stellt, gilt der Staatsstreich als Aufstand reaktionärer Aristokraten.

Heute hingegen ist ihre ungeheure Leistung unbestritten, auch wenn manche politische Zielsetzung der Verschwörer aus heutiger Sicht für eine Nachkriegsordnung wenig vorbildlich erscheint. Nicht ihr Scheitern bestimmt das Gedenken, sondern der Wagemut. Er ist abzulesen in den Worten von Stauffenbergs engem Mitstreiter Henning von Tresckow, mit denen er darauf drängte, Hitlers zu beseitigen: um nämlich dem In- und Ausland zu zeigen, "dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat".

Weitere Informationen
Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld. © Privatbesitz der Familie von Schwerin von Schwanenfeld

Gescheiterter Tyrannenmord: Der 20. Juli 1944

Auch vier Mecklenburger waren am Attentat vom 20. Juli 1944 beteiligt. Ihre Frauen, Kinder und Enkel erinnern sich. mehr

Jens Peter Jessen © NDR Foto: NDR

Zeitreise: Der vergessene Verschwörer

Es ist einer der berühmtesten Mordversuche in der Geschichte: das Attentat auf Adolf Hitler. Ein Mann, der dabei eine entscheidende Rolle gespielt hat, ist Jens Peter Jessen. mehr

SA-Männer kleben ein Plakat mit der Aufschrift 'Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden' an die Schaufensterscheibe eines jüdischen Geschäfts. © picture-alliance / akg-images

Die NS-Zeit: Krieg und Terror

1933 wird der Nationalsozialist Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Fortan setzt das NS-Regime seinen absoluten Führungsanspruch durch - mithilfe von Terror und Propaganda. mehr

Deutsche Truppen besetzen im September 1939 die polnische Stadt Posen. © picture-alliance / akg-images

Der Zweite Weltkrieg

Mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Weltweit kostet er mehr als 50 Millionen Menschen das Leben. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 20.07.2019 | 06:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

NS-Zeit

Zweiter Weltkrieg

Mehr Geschichte

Der deutsche Schauspieler Jan Fedder repapariert einen US-Straßenkreuzer, aufgenommen 1991 in Hamurg. © picture alliance / Stefan Hesse Foto: Stefan Hesse

Jan Fedder: Publikumsliebling und Hamburger Jung

Großstadtrevier oder Büttenwarder: Jan Fedder spielte viele norddeutsche Charaktere. Aus seinem Nachlass werden nun einige Schätze versteigert. mehr

Norddeutsche Geschichte