Projekt Zukunftsstadt: Künstlerpaar lebt ein Jahr in Loitz
Das Künstlerpaar Annika Hirsekorn und Rolando Gonzalez ist für ein Jahr nach Loitz gezogen und erhält dort ein Grundeinkommen. Ihr Auftrag: einen Treffpunkt für Jugendliche aufbauen.
Eine blutverschmierte Badewanne, blutige Handabdrücke und rästelhafte Zeichen an den Wänden im Obergeschoss zeugen noch von einem Escape-Room-Spiel, das sich die beiden Künstler zu Halloween haben einfallen lassen. Nur eine von vielen Ideen, die sie in den vergangenen Monaten seit ihrem Umzug nach Loitz umgesetzt haben, sagt Annika Hirsekorn: "Wir haben im ersten Monat oben renoviert, damit wir da einziehen können. Und dann haben wir am 1. Juni die Comic-Bibliothek eröffnet. Ungefähr einen Monat später haben wir die Siebdruck-Werkstatt eröffnet und haben hier schon relativ viele Workshops mit Kindern, Jugendlichen und verschiedenen Trägern aus der Region durchgeführt."
Projekt "Dein Jahr in Loitz" als Teil einer Zukunftswerkstatt
Die beiden Künstler sind schon weit gereist - lebten unter anderem zusammen in Mexiko-Stadt, Caracas und Berlin. Nun wohnen sie seit Mitte April in der kleinen Stadt Loitz, mitten in Vorpommern. Bei nur ca. 4.300 Einwohnern fiel ihr Zuzug ganz schön auf: "Es war total schön und aufregend", erinnert sich Annika Hirsekorn. "Ich hätte nicht gedacht, dass man ins nächste Bundesland fährt und dann so positiv überrascht wird. Weil sich doch vieles zum Leben in Berlin unterscheidet. Wir haben total nette, spannende Menschen kennengelernt und ein bisschen ausprobiert, was wir hier machen können."
Das Projekt "Dein Jahr in Loitz" ist Teil einer sogenannten Zukunftswerkstatt. Insgesamt sind es sechs Projekte in Loitz, die mit Bundesmitteln gefördert werden. Das Ziel: den Ort neu zu beleben. Nicht alle Loitzer waren gleich begeistert: "Es sind auch Leute vorbeigekommen, die skeptisch waren und fragen wollten: Was macht ihr hier, was habt ihr vor, macht ihr überhaupt was? Wenn wir denen dann aber gezeigt haben, was wir schon gemacht haben, und denen von den Workshops mit den Kindern und Jugendlichen erzählt haben, dann waren die total nett, haben sich gefreut und gesagt, dass sie uns helfen", sagt Annika Hirsekorn.
Loitz ist "Zukunftsstadt 2030"
Seit einiger Zeit darf sich Loitz auch offiziell als "Zukunftsstadt 2030" bezeichnen. Das Gesamtprojekt wird wissenschaftlich von der Hochschule Neubrandenburg begleitet und von Mitarbeiterin Antje Borchert - selbst Loitzerin - vor Ort betreut: "Das Gute an dieser Zukunftsstadt ist, dass das Thema in der ganz breiten Masse eine Präsenz erfährt. Und alles, was damit einhergeht - Debatte, Dialog und Kommunikation -, trägt im Grunde dazu bei, dass Menschen sich Gedanken machen, wie sie überhaupt künftig leben wollen. Dieses Zukunftsstadt-Projekt ist im Grunde nur der Impuls, der jetzt gesetzt wird. Es heißt ja nicht umsonst 'Zukunftsstadt 2030', denn es ist klar, dass dieser Stadtentwicklungsprozess stetig fortgesetzt wird und auch eine gewisse Langfristigkeit erfordert."
Für konkrete Erkenntnisse ist es laut Borchert zwar noch zu früh - Tendenzen gibt es aber schon jetzt: "Man merkt, dass es ein sogenanntes Reallabor ist. Dieses Zukunftsstadt-Projekt besteht ja in der Umsetzungsphase aus mehreren solcher Reallabore. Man hat sich etwas ausgedacht und testet in der Realtität aus, ob es funktioniert. Damit geht auch einher, dass man erkennt, dass gewisse Dinge super funktionieren, und man andere Dinge nicht zu Ende gedacht hat oder noch nachbessern muss."
Unmittelbare Erfolgserlebnisse
Die beiden Neu-Loitzer Annika Hirsekorn und Rolando Gonzales fühlen sich sehr wohl in Loitz. Es sind schon viele Kinder und Jugendliche bei den Workshops gewesen und es werden immer mehr - ganz anders als in der Großstadt, so Annika Hirsekorn: "Berlin fühlt sich oft so übersättigt an mit Angeboten. Eigentlich kämpfen die ganzen Träger um die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, zum Beispiel wenn sie Ferienangebote machen. Ich habe das Gefühl, hier hat man direktere Erfolgserlebnisse mit seiner Arbeit, und das ist echt schön."
Wenn ihr offizielles Jahr Mitte April 2022 vorüber ist, wollen die beiden in Loitz bleiben und mit der Arbeit weitermachen, die sie in diesem Jahr gestartet haben.
