Stand: 03.05.2019 16:14 Uhr

Klimawandel: Steigt die Starkregen-Gefahr?

von Tina Meier
Hochwasser steht auf dem Bahnübergang in Groß Düngen bei Hildesheim. © dpa Foto: Stefan Rampfel
Nach Starkregen ist der niedersächsische Ort Groß Düngen im Juli 2017 überflutet.

"Die Flüsse waren schneller da, als wir gucken konnten", erinnert sich Caroline Geburek von der Bürgerinitiative Hochwasser an Ende Juli 2017. Damals kamen nach tagelangem starken Regen die Fluten aus dem Harz nach Goslar und bahnten sich ihren Weg bis Hildesheim. Auf ihrem Weg liegen die Ortschaften Groß und Klein Düngen, deren Bewohner von den Wassermassen überrascht wurden. Einige Keller seien innerhalb von 20 bis 30 Minuten bis zur Decke vollgelaufen, erzählt Caroline Geburek bei einer Veranstaltung der Klima-Redaktion des gemeinnützigen Recherchebüros Correctiv in Goslar. "Die Waschmaschinen sind den Menschen entgegengeschwommen." Seit diesen Tagen fordern die Anwohner mehr Hochwasserschutz.

Ereignisse könnten häufiger werden

Starkregen-Ereignisse sind im Harz keine Seltenheit. Am 10. Mai 2018 kam es in Goslar und Umgebung durch Niederschläge von mehr als 100 Liter pro Quadratmeter erneut zu Überschwemmungen. Die Mittelgebirgsregion gehört zu den Gebieten in Deutschland, die schon lange als gefährdet gelten. Eine Auswertung der Starkregenstunden von 2001 bis 2017 zeigt, dass in Norddeutschland die am stärksten betroffenen Landkreise in Südniedersachsen liegen. Doch durch den Klimawandel könnte die Gefahr steigen. Andreas Becker vom Deutschen Wetterdienst erklärt bei der Correctiv-Veranstaltung. "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis wie in Goslar in Zukunft häufiger vorkommt, ist durch den Klimawandel erhöht worden." Aufgrund der globalen Erwärmung und der Möglichkeit der Atmosphäre mehr Wasserdampf aufzunehmen, verstärke sich die Konvektion. "Das führt im Endeffekt auch dazu, dass solche Ereignisse häufiger werden."

Generell nimmt die jährliche Niederschlagshöhe seit 1881 zu, schreiben die Experten im Klimareport Niedersachsen. Außerdem regnet es verstärkt im Herbst und Winter. Eine Tendenz, die sich durch den Klimawandel noch verstärken könnte.

Risiko von Starkregen in Norddeutschland unterschätzt

Fakten: Niederschläge

Anzahl der Regentage nimmt von Nord nach Süd sowie von West nach Ost ab.

Mittelwerte in Deutschland (abhängig von der Region)

  • Pro Jahr fällt an 170 bis 250 Tagen Regen.
  • Insgesamt beträgt die jährliche Niederschlagsmenge 789 mm.
  • Pro Tag fällt 2 bis 12 mm Regen.

Was bedeutet 12 mm Niederschlag?
12 mm (Wassersäule) entspricht 12 Liter pro Quadratmeter.
(Quelle: DWD)

Starkregen-Extreme
  • 312 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden (Zinnwald 2002)
  • 126 Liter pro Quadratmeter in 8 Minuten (Füssen 1920)
(Quelle: GDV)

Seit dem Jahr 2001 erfassen Radardaten alle Starkregen-Ereignisse in Deutschland. Zuvor wurden nur die Messstationen ausgewertet. Durch die neuen Daten zeigt sich für Meteorologen ein verändertes Bild: Die intensiven Starkregen, "die so zwei, drei Stunden dauern, die mit Gewittern und Unwetter verbunden sind", seien gleichmäßiger verteilt, als die Meteorologen bisher angenommen hatten, erklärt Andreas Becker. "Das heißt, auch in Norddeutschland haben wir eindeutig eine Starkregen-Gefährdung." Es müsse mit "einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit mit Starkregen gerechnet werden, als bisher angenommen", erklärt der Experte im März 2019.

Starkregen: Sind die Kommunen vorbereitet?

Ein Problem steigender Niederschläge und zunehmender Starkregen-Ereignisse ist, dass Entwässerungskapazitäten vieler Städte und Kommunen nicht darauf ausgelegt sind. Das betrifft vor allem die norddeutschen Kommunen, die bislang nicht in gefährdeten Regionen liegen. Einige Kommunen im Norden hatten bis 2017 keine ausreichenden Konzepte für die Anpassung an den Klimawandel erstellt, das hat eine Umfrage der Redaktion Panorama 3 ergeben.

Auch die Feuerwehren stehen vor neuen Herausforderungen. In Goslar haben sich die Einsätze in den vergangenen drei Jahren verdoppelt, berichtet Christian Hellmeier, Stadtbrandmeister der Stadt bei der Correctiv-Veranstaltung. Sie hätten immer mehr mit Hochwasser- und Sturm-Ereignissen, aber auch Wald- und Vegetationsbränden zu tun. Ausbildung und Material werden mittlerweile den veränderten Bedingungen angepasst - und das kostet. "Die Stadt wird in den nächsten zwei bis drei Jahren 1,4 Millionen Euro für den Bereich des Hochwasserschutzes ausgeben und für die Wald- und Vegetationsbrände werden wir auf jeden Fall auch noch mal Geld in die Hand nehmen, um hier besser gerüstet für die Zukunft zu sein", erklärt Hellmeier.

Was bedeutet das für die Menschen?

Wenn sintflutartige Regenfälle in Minutenschnelle die Kanalisation überfluten oder Straßen unterspülen, stehen die betroffenen Menschen oft vor dem Nichts. "Viele von uns sind wirtschaftlich am Ende", erzählt Caroline Geburek. "Wenn wir so ein Ereignis noch einmal hätten, dann wären ganz viele Familien in der Privatinsolvenz." Zwar können Keller durch Rücklaufventile und Abdichtungen von Lichtschächten und Fenstern bis zu einem gewissen Grad gesichert werden. Aber wenn riesige Wassermassen sich ihren Weg durch Straßen bahnen, helfen diese auch nicht weiter. Eine entsprechende Versicherung, eine Elementarschadenversicherung, kann sehr teuer sein und es gibt Gebiete, in denen Gebäude nicht mehr versichert werden. Die Unternehmen haben Deutschland in Risikozonen eingeteilt, nach denen sich die Policen richten.

Diese Zonen haben auch einen Einfluss auf den Immobilienwert. "Solange wir keinen Schutz haben, sind wir in diesen Versicherungszonen tatsächlich so hoch bewertet, dass wir unsere Immobilie gar nicht zum normalen Wert verkaufen können", meint Caroline Geburek.

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DIE REPORTAGE | 06.09.2019 | 21:15 Uhr

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