Eine Person klettert auf einem Kletterparcours während eine andere person am Boden das Sicherheitsseil hält.  Foto: Peter Bartelt

Zwischen Himmel und Erde - Die mobile Kletterkirche in Itzehoe

Sendedatum: 11.05.2022 20:20 Uhr

Glaube und Vertrauen sind zwei Faktoren, die beim Klettern und in der christlichen Kirche eine große Rolle spielen. Da liegt es nahe, beides zu verbinden. Bei der mobilen Kletterkirche funktioniert es.

von Peter Bartelt

"Zuerst war es schon ungewohnt für mich, da zu klettern, wo sonst Gottesdienste stattfinden. Aber ich glaube, das wird mir Spaß machen", sagt Viktoria. Die 19-Jährige steht mit ihrem Religionslehrer Ralf Paulsen und neun anderen jungen Frauen ihrer Berufsschulklasse in der Ansgar Kirche in Itzehoe. Dort haben Diakon Jan- Lennart Boje und sein Team eine stabile würfelförmige Stahlkonstruktion aufgebaut, wie man sie sonst nur von Konzerten kennt. Daran aufgehängt: eine wackelige Hängebrücke aus Brettern, eine sogenannte Himmelsleiter aus vier Holzbalken, die in Meterabständen rechts und links mit Seilen quer aufgehängt sind und bis unter die Kirchendecke reichen. Alles in etwa vier Metern Höhe. Dazu gibt es ein Drahtseil zum Balancieren, das gerade mal einen Zentimeter dick ist.

Glaube heißt Vertrauen

Auf den ersten Blick fällt es vielleicht schwer, einen Zusammenhang zwischen dem Klettern und der Kirche zu erkennen. Auf den zweiten nicht. "Sowohl beim Klettern als auch im christlichen Glauben an Gott ist das Vertrauen ein ganz wichtiger Bestandteil", erklärt Jan- Lennart Boje den Berufsschülerinnen. Sie sind inzwischen alle mit einem rotem Helm und einem Sitzgurt ausgestattet. "Bei beidem vertraut man sich jemandem an und fühlt sich sicher, wenn man ihm vertrauen kann. Dazu gehört auch Mut und das Gefühl, sich fallen lassen zu können, weil man weiß, da ist jemand, der einen festhält. Das ist im christlichen Glauben genauso wie beim Klettern. Und genau das wollen wir euch hier beim Klettern vermitteln." Johanna findet die Verbindung zwischen Klettern und Kirche gut, "weil viele sich noch nie damit auseinandergesetzt haben, wie nah sich diese beiden Bereiche eigentlich sind. Und vielleicht nähern sich einige dadurch gedanklich der Kirche etwas an."

Die eine klettert, die andere sichert

Die Gruppe teilt sich auf: die einen wagen sich auf die Hängebrücke, die anderen erklimmen die Himmelsleiter. Es ist eine wackelige Angelegenheit, denn die Konstruktionen schwingen hin und her. Aber unten hat die Sicherungscrew alle Leinen in der Hand. Falls jemand abrutscht, wird er aufgefangen. Auch das erfordert volle Konzentration. "Das Absichern unten ist mindestens genauso wichtig, wie die Konzentration beim Klettern. Ohne das Vertrauen in die da unten, kann es da oben kein Gefühl von Sicherheit geben", sagt Religionslehrer Ralf Paulsen, der eine der Gruppen betreut.

Die Botschaft kommt an: Vertrauen stärkt den Zusammenhalt

Paulsens Schülerinnen lernen schnell, geben Kommandos nach oben, wenn es mal zu wackelig wird und schließlich ans Abseilen geht. "Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich mich darauf verlassen kann", bestätigt Ann Kristin. Sie ist allerdings auch andere Höhen gewohnt. "Wir klettern mit der Familie regelmäßig in Klettergärten in Österreich, da ist es definitiv höher als hier. Trotzdem bin ich froh, dass mich hier niemand hat fallen lassen", lacht sie. Dann ist sie an der Reihe und muss absichern. Von unten gibt sie Ratschläge, aber Viktoria am anderen Ende der Leine ist fast schon ein Profi. "Für mich ist Höhe überhaupt kein Problem", sagt die angehende medizinisch-technische Assistentin. "Ich mach Cheerleading, da bin ich Höhe gewohnt."

Jeder kann, keiner muss

Johanna ist nicht so cool: "Ich hatte schon vorher mächtigen Respekt und wusste nicht, was mich erwartet. Aber wenn ich das jetzt so sehe, hätte ich schon Lust, da raufzuklettern." Aber dann zeigt sie ihre bandagierte Hand: "Ich darf nicht, aber ich kann absichern. Das ist jetzt meine Aufgabe und ich weiß, wie wichtig sie ist." Dann gilt die volle Konzentration ihrer Mitschülerin, die gerade auf dem Drahtseil unterwegs ist. Das Abseilen klappt problemlos.

Die mobile Kletterkirche kommt an

"Die Idee der mobilen Kletterkirche gibt es schon länger in Süddeutschland. Aber hier im Norden sind wir die ersten", erzählt Diakon Jan- Lennart Boje. Die Idee und das Konzept kommen aus Kiel. Jörg Kommritz hat es entwickelt und schult das jeweilige Betreuerteam, danach ist es auf sich gestellt. Und es wird angenommen: Mehr als 600 Kinder und Jugendliche haben das zweiwöchige Kletterangebot in der Ansgar Kirche in Itzehoe bereits angenommen. "Viele waren neugierig und dankbar, dass endlich mal was los war in unserer Gemeinde", freut sich die Gemeindepädagogin Simone Demsky. Die Botschaft dahinter kam auch an: "Vertrauen ist etwas Unsichtbares, aber durch die Karabiner und die Sicherung der anderen in der Gruppe wurde es beim Klettern fühlbar. Das macht die Nähe zwischen Kirche und dem Klettern aus."

Am Ende strahlende Gesichter und eine Erkenntnis

Nach der knapp zweistündigen Klettertour in der Kirche zwischen Himmel und Erde sind die Berufsschülerinnen gleichermaßen begeistert und erstaunt. Denn je länger die jungen Frauen in diesem Kletterparcours unterwegs waren, desto intensiver wurde das Vertrauen in die Sicherungscrew unten am Boden. "Ich hätte nicht gedacht, dass das bei uns so schnell so gut funktioniert", sagt Johanna etwas nachdenklich - und fügt an: "Da ist schon ein ganz anderer Zusammenhalt zwischen uns entstanden."

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Die Evangelische und Katholische Radiokirche ist verantwortlich für die kirchlichen Sendungen im NDR. mehr

Dieses Thema im Programm:

Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 11.05.2022 | 20:20 Uhr

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