Regierungserklärung in SH: Normalität nur mit Solidarität
Ministerpräsident Günther hat in seiner Regierungserklärung zur Solidarität aufgerufen. Rückendeckung gab es von allen Fraktionen im Landtag.
Der Kieler Krisenforscher Frank Roselieb hat es bei der Expertenanhörung im Landtag in der vergangenen Woche erklärt: In Krisen ist es sinnvoll, die Kommunikation zu bündeln. In einer Person. Um Verwirrung zu vermeiden - und Verlässlichkeit zu demonstrieren. Im Falle Schleswig-Holsteins ist das Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Der erklärt, welche Maßnahmen beschlossen wurden.
Doch Krisen entwickeln sich weiter, und der Bedarf an Diskussionen nimmt zu. Der Landtag will die Maßnahmen, die die Ministerpräsidenten mit dem Bund vereinbart haben, diskutieren. Dafür gibt es eine Sondersitzung, bevor am Wochenende das Kabinett die Regelungen in eine Landesverordnung gießt.
Rückendeckung für den schleswig-holsteinischen Weg
Ministerpräsident Günther erklärt in seiner Regierungserklärung am Freitag noch einmal, warum sich Schleswig-Holstein für einen Sonderweg entschieden hat. Warum Kosmetikstudios und Zoos wieder öffnen dürfen - und warum Hotels und Restaurants geschlossen bleiben. Und warum Schleswig-Holstein an Weihnachten die Kontaktbeschränkungen nicht lockert: "Ich möchte, dass wir Anfang des nächsten Jahres so niedrig mit den Werten sind, dass wir auch denen wieder eine Perspektive geben können, die besonders leiden, die im Moment nicht öffnen dürfen. Und deswegen brauchen wir Solidarität auch über Weihnachten und Neujahr, mit diesen Menschen."
Immerhin, über Weihnachten darf bei Familienbesuchen auch im Hotel übernachtet werden. Bisher war das nur etwa bei Dienstreisen erlaubt. Immer wieder appelliert Günther an die Verantwortung der Menschen im Land - ruft zu Solidarität auf. Das Wort "gemeinsam" wird in dieser Landtagssitzung noch häufiger fallen.
Nachdenklichkeit statt Fundamental-Opposition
Die Regierungsfraktionen - CDU, Grüne und FDP - unterstützen ihren Regierungschef. Ein - kleinerer - Streitpunkt zwischen den Jamaika-Fraktionen ist die Frage, ob Schleswig-Holstein nun selbst für die bundesweit niedrigsten Infektionszahlen verantwortlich ist - oder ob das Land einfach Glück gehabt habe. Abgesehen davon sind sie sich einig in ihrem Lob für verantwortungsbewusste Bürger, belastete Pflegekräfte und geduldige Hoteliers.
Auch von den Oppositionsfraktionen kommt deutliches Lob. Ralf Stegner, der Oppositionsführer, kann es sich zwar nicht verkneifen, die FDP dafür zu kritisieren, dass sie dem Infektionsschutzgesetz nicht zugestimmt hat - und die FDP-Abgeordneten protestieren, weil sie sich von Stegner in die Nähe der AfD gerückt fühlen. Doch abgesehen davon spricht Stegner nachdenklich, fast emotional, über die Folgen der Corona-Pandemie für ältere Menschen - und über Einsamkeit: "Vielleicht werden wir das hygienisch zweifelhafte deutsche Händeschütteln nicht so vermissen, aber die Umarmungen fehlen schon."
Hoffnung auf Lockerungen im kommenden Jahr
Eka von Kalben von den Grünen sagt offen, dass sie pandemiemüde ist. Wirbt aber umso mehr für Zusammenhalt: "Wir dürfen pandemiemüde sein. Aber wir dürfen nicht aufgeben." Christopher Vogt von der FDP kritisiert andere Bundesländer, die es bisher versäumt hätten, Regelungen für den privaten Bereich aufzustellen. Vom Bund fordert Vogt möglichst bald eine klare Ansage, wie es im neuen Jahr weitergehen soll.
Die Perspektive fürs kommende Jahr ist ungewiss. Die Hoffnung, so klingt es in vielen Reden mit, ist die auf etwas Normalität. Solange es die nicht gibt, versprechen die Regierenden zumindest "klare Ansagen."
Lars Harms vom SSW hätte sich zwar Lockerungen für die Gastronomie gewünscht - kann aber nachvollziehen, warum es keine gibt. Den Sonderweg von Schleswig-Holstein findet er "genau richtig." Allerdings: Wenn "die Leute nicht zu sehr verrückt spielen" und der Inzidenz-Wert weiter sinkt - dann müsse es Lockerungen geben, ob nun in Sportvereinen, Hotels oder Restaurants. Sein Fazit: "Wir sind diejenigen, die den Schlüssel in der Hand haben."
Anträge der AfD-Abgeordneten werden abgelehnt
Nachdem Harms sich gerade noch über Corona-Leugner geärgert hat ("Die gehen mir wirklich auf den Zeiger"), liefert der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl Thesen von einem vermeintlich harmlosen Coronavirus, falschen PCR-Tests und nichtssagenden Zahlen, sowie von Bürgern im "Angstmodus" und Politikern, die "Volkserzieher" spielten. Seine ehemaligen Parteikollegen von der AfD werfen dem Land vor, Hotels und Restaurants zu schaden. Und der AfD-Abgeordnete Jörg Nobis fordert, Kreisen die Möglichkeit zu geben, selbsttätig Lockerungen auf den Weg zu bringen. Sein Parteikollege Claus Schaffer wirft dem Land vor, die Parlamentarier nicht ausreichend beteiligt zu haben.
Verfassungsrechtler hatten in der Anhörung in der vergangenen Woche kritisiert, dass wichtige Einschränkungen nur in Ministerpräsidenten-Runden beschlossen - und nicht im Parlament diskutiert würden. Grünen-Fraktionschefin von Kalben betont an diesem Freitag, die Fraktionen seien auch vor dieser Sitzung schon in die Corona-Entscheidungen eingebunden worden. Nur brauche es eben auch Mehrheiten, um mitzuentscheiden. "Über die Mehrheitsverhältnisse bin ich mir im Klaren", kommentiert AfD-Mann Schaffer das. Die Anträge der AfD werden abgelehnt.
Am Ende stehen also Jamaika- und Oppositionsfraktionen geschlossen hinter dem Ministerpräsidenten. Man könnte auch sagen: Sie bündeln ihre Kommunikation. Dem Krisensforscher würde das gefallen.
