Preis-Entwicklung: Landwirte und Handel an einem Tisch
Bis Ende März wollen Landwirte und Deutschlands vier größte Einzelhandelsketten über die Preise für landwirtschaftliche Produkte sprechen. Ein Discounter signalisierte am Montag Entgegenkommen.
von Oliver Kring und Jörg Jacobsen
Landwirte und Vertreter der vier größten Einzelhandelsketten haben am Montag erstmals in Arbeitsgruppen beraten - allerdings wegen Corona nur online. Dabei geht es nicht um ein paar Cent mehr für den Liter Milch oder das Pfund Butter, sondern um das große Ganze. Nach den Worten von Dirk Andresen, Bundessprecher der Vereinigung "Land schafft Verbindung Deutschland", geht es darum, dass landwirtschaftliche Produkte langfristig zu fairen Preisen für Erzeuger, Verbraucher und Händler verkauft werden.
In den vergangenen Monaten hatten die Landwirte mit zahlreichen Aktionen versucht, den Handel zu Gesprächen zu bewegen. In Kiel blockierten sie für einige Stunden das Logistikzentrum von Rewe. Ähnliche Aktionen gab es auch bei anderen Supermarkt-Ketten.
Gespräche laufen zunächst bis Ende März
Die Bauern müssten dauerhaft von ihrer Arbeit leben können, gleichzeitig sollten aber Verbraucher auch profitieren, sagt Andresen. Zum Beispiel dadurch, dass sich Erzeuger und Handel auf einheitlich hohe Standards bei der Tierhaltung verständigen. Ergebnisse aus den Beratungen gibt es erwartungsgemäß noch nicht. Denn die Gespräche zwischen Bauern und Einzelhändlern sind zunächst bis Ende März zwei Mal pro Woche angesetzt.
Die Bauern setzen auf direkte Gespräche
Auf die Politik würden sie sich nicht mehr verlassen, sagt Dirk Andresen: "Politik hat uns nicht geholfen. Politik lässt uns im Regen stehen. 85 Prozent der Marktanteile liegen bei den großen Vier (Edeka, Rewe, Lidl, Aldi, Anm. d. Red.). Landwirtschaftsministerin Klöckner hat sich da nicht für uns eingesetzt." Deshalb sprechen die Landwirte im ersten Teil der Verhandlungen direkt mit den vier Einzelhandelsketten.
Später, in weiteren Verhandlungsrunden, seien aber auch die Politik sowie die verarbeitenden Betriebe eingeladen, um gemeinsam nachhaltige Strukturen für bessere Preise zu entwickeln, sagt Andresen.
Preise: Kartellrechtliche Schwierigkeiten
Viele fragten sich, so Andresen, warum die Landwirte sich nicht einfach absprechen würden und dem Handel sagten: "Das ist unser Preis." Das dürften sie allerdings aus Wettbewerbsgründen nicht, erklärt Andresen. Verbotene Preisabsprachen seien nicht zulässig. Allerdings gelte es auch, die Marktmacht der vier großen Lebensmittelketten zu überprüfen. Deshalb sitzt auch ein Kartellrechts-Anwalt in den Verhandlungen.
Landwirte fordern mehr Transparenz
Damit auch den Verbrauchern klar wird, wer eigentlich wie viel zum Beispiel an der Milch verdient, wünschen sich die Landwirte mehr Transparenz. Derzeit fehlten vielen Milchbauern 15 Cent pro Liter Milch. Enttäuscht ist "Land schafft Verbindung" auch über die Preise bei der Butter: Auf dem Weltmarkt steigt der Preis - in Deutschland liegen die Erträge darunter, weil Verträge niedriger ausgehandelt wurden.
Deutsches Label hilft zur Orientierung
Erzeuger und Handel sind sich in einigen Punkten bereits einig: Sie wollen ein Label für deutsche Erzeugung. Das sei vielen Verbrauchern wichtig. Viele Verbraucher möchten wissen, woher die Produkte kommen - das ist insofern auch im Interesse der Händler. Deshalb glaubt Andresen, dass auch beim Lebensmittelhandel das Verständnis für Transparenz bereits vorhanden ist.
Milch-Produktion: Aldi reagiert
Ein konkretes Entgegenkommen kündigte bisher nur Aldi an. Das Unternehmen will konventionelle und Bio-Milch nur noch aus heimischer, deutscher Erzeugung beziehen. Die Landwirte wollen nach ihren Forderungen überwiegend heimische Produkte auf dem Markt sehen.
Darüber hinaus wolle man den weiteren Gesprächen nicht vorgreifen, sagte ein Aldi-Sprecher. Der Discounter wolle sich aber für langfristige Verträge einsetzen - um der Landwirtschaft mehr Planungssicherheit zu geben, wie es das Unternehmen darstellt. Eine Sprecherin der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, erklärte, dass der Konzern die Gespräche begrüße, aber nicht weiter zu den Verhandlungen Stellung nehmen wolle.
Beispiel eines Kartoffel-Bauern
Wie faire Preise funktionieren können, zeigt eine direkte Zusammenarbeit zwischen einem Kartoffel-Bauern aus Reinsbüttel (Kreis Dithmarschen) und einem Inhaber-geführten Edeka-Markt in Friedrichstadt (Kreis Nordfriesland). Seit 25 Jahren arbeiten Thorsten Hölck aus Dithmarschen und Axel Vester aus Friedrichstadt zusammen. "Wir orientieren uns schon an den Marktpreisen", sagt Hölck. "Aber wir haben ein Niveau in den Absprachen, sodass da beide Parteien mit leben können."
Regionale Produkte funktionieren
Die Kartoffeln aus Reinsbüttel sind bei Axel Vester ein Renner. Sie werden am meisten verkauft - obwohl sie 25 Prozent teurer sind als andere Sorten. Der Händler aus Friedrichstadt sagt: "Die Qualität ist einmalig, toller Geschmack, ist 'ne schöne gelbe Kartoffel." Man könne nach Reinsbüttel fahren und sagen: "Guck' ma' - da kommt die Ware her."
Neben der großen Nachfrage nach den heimischen Kartoffeln verkaufen sich bei Vester auch andere regionale Produkte sehr gut: zum Beispiel Milch aus Witzwort, Honig aus Koldenbüttel oder Eier aus Nindorf. Lebensmittelhändler Vester wünscht sich in der Gesellschaft grundsätzlich eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel. Die Landwirte wünschen sich faire Preise für alle Beteiligten.
