Naturführung am Westensee: Kurzschluss im Wald
Der Aronstab ist eine Pflanze mit besonderen Fähigkeiten. Biologe Florian Gloza-Rausch hat die Blume in seine Waldführungen im Naturpark Westensee mit aufgenommen - im Sinne des Naturschutzes.
Mit einem gelben Köfferchen läuft Florian Gloza-Rausch durch den Wald. Er hält Ausschau nach dem Gefleckten Aronstab, der gerne in Gruppen wächst. Diese tropische Pflanze ist in feuchten, nährstoffreichen Wäldern zu finden - wie hier am Westensee. An einer Ansiedlung von rund 15 Gewächsen kniet der Biologe nieder, öffnet seinen Koffer und zieht ein paar Kabel heraus. Schleswig-Holstein habe noch einzigartige und intakte Waldlandschaften, die unbedingt erhalten werden müssten, erzählt Gloza-Rausch, während er sich mit seiner Wärmebildkamera dem Aronstab nähert. "Diese Pflanze hat eine ganz besondere Art der Bestäubung. Sie lockt Fliegen durch Geruch und Wärme an, fängt sie, versorgt sie über Nacht mit Nektar und lässt sie am nächsten Morgen zur Bestäubung wieder frei", erklärt er.
Das Bild der Wärmekamera zeigt noch 17 Grad an. "Nachts, wenn die Schmetterlingsmücke und andere Fliegen aktiv sind, kann der Kolben an der Blüte bis zu 40 Grad warm werden", ergänzt er. Doch die Wärme ist nur ein Hilfsmittel, um den Lockstoff weit zu verteilen. "Man kann sich das so vorstellen wie eine Duftlampe, da tun wir ja Duftöl rein und stellen eine Kerze drunter. Durch die Wärme verteilt sich der Geruch besser."
Ein biologischer Kurzschluss
Die Wärmeerzeugung funktioniert ähnlich wie bei einem Kurzschluss einer Batterie, sagt Florian Gloza-Rausch. Um das zu demonstrieren, nimmt er zwei 9-Volt-Blöcke in die Hand und hält mit dem Daumen auf die eine Batterie ein leitendes Metallstück. Auf seiner Wärmebildkamera ist jetzt zu sehen, wie die direkte Verbindung der beiden Batteriepole einen Kurzschluss erzeugt, die Batterie wird heiß. Die Wärme, die dabei freigesetzt wird, spürt Gloza-Rausch deutlich am Daumen. So eine Art Kurzschluss kann auch der Aronstab selbst erzeugen - ein biochemischer Prozess, der wie bei der Batterie Wärme erzeugt. "Ein biologischer Kurzschluss sozusagen", sagt Gloza-Rausch. Mit solchen Experimenten will er die Natur bei seinen Führungen erlebbar machen.
Schön, aber kein Genuss für die Nase
Sowohl die Blätter als auch die Blüte des Aronstabs sind giftig. Deshalb zieht der Biologe Handschuhe an, bevor er sie berührt. Die Pflanze kann starke Hautreizungen verursachen, Weidetiere sind nach dem Fressen der Giftpflanzen auch schon verstorben. Vorsichtig trennt er mit einem Messer die Blüte vom Stängel.
Der Aronstab, der im Volksmund auch Stinkblume genannt wird, lockt die Insekten über den Duft an, den er verströmt. "Wer abends im Wald spazieren geht, nimmt manchmal einen stinkigen Geruch nach Aas oder Urin wahr. Das müssen aber keine Hinterlassenschaften von Tieren sein, sondern kann auch der Geruch des Aronstabs sein", erklärt Gloza-Rausch. Die Insekten werden vom Aronstab getäuscht, sie hoffen durch den Geruch auf Aas oder Fäkalien, um ihre Eier dort abzulegen. "Über das leicht gerollte Blatt rutschen die Fliegen in die Falle", sagt er und zeigt auf den Kessel, wo die Tiere sich sammeln.
Als er den Kessel aufschneidet, summt und surrt es. Dutzende kleine Fliegen schwirren aus dem Gefängnis ins Freie. "In der nächsten Nacht fallen die Fliegen dann wieder auf den Geruch eines anderen Aronstabs herein und tragen die Pollen, in denen sie gebadet wurden, zur nächsten Pflanze."
Faszination teilen, Natur schützen
Ohne die Hilfe von außen gelangen die Insekten erst wieder heraus, wenn das Blütenblatt welkt. Später bildet der Aronstab dann Fruchtstände, die im Herbst leuchtend rote Beeren tragen. "Auch wenn der Aronstab momentan nicht gefährdet ist, kann sich das durch den Klimawandel ändern. Wenn die Wälder unter Trockenstress leiden, gefährdet das auch den Bestand des Aronstabs", sagt Gloza-Rausch. Darum will er mehr Bewusstsein schaffen, den Menschen seine Faszination für die Natur weitergeben. Wenn die Menschen beginnen, sich für die Natur zu interessieren, dann beginnen sie auch eher, sie zu schützen."
