Hohe Kosten und niedrige Umsätze: Einzelhandel in SH leidet

Stand: 14.09.2022 15:33 Uhr

Von einer Krise in die nächste: In der Corona-Pandemie sind viele Kunden zu Hause geblieben. Jetzt können sich viele Menschen den Einkaufsbummel wegen der Energiekrise nicht mehr leisten. Für viele Einzelhändler wird das zum Überlebenskampf.

Auch wenn die meisten Schaufenster im Norden nach wie vor zum sorgenfreien Shoppen einladen - in den Läden sieht die Stimmung meist anders aus. Die gestiegenen Energiekosten lassen die Rechnungen explodieren, während die Kassen gleichzeitig immer leerer bleiben. Die meisten Kunden sorgen sich vor den Heizkosten im Winter und halten ihr Geld lieber beisammen. Viele Inhaberinnen und Inhaber von Geschäften wissen nicht mehr, wie sie die rasant gestiegenen Kosten stemmen sollen.

Erst kürzlich haben Bäckereien im Norden Brot und Brötchen im Dunkeln verkauft und die Beleuchtung im Geschäft bewusst aus gelassen. Eine stille Aktion, um auf eine prekäre Situation aufmerksam zu machen. Denn die Bäckereien und Konditoren im Land können die gestiegenen Kosten für Zutaten und Energie kaum noch auffangen.

Einzelhändler sorgen sich vor den kommenden Monaten

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Eine Kundin steht in einem Lebensmittelmarkt am Gemüseregal. © picture alliance / ZB Foto: Jens Büttner

Einzelhandel in Sorge über massive Umsatzrückgänge

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Viele Einzelhändler wie Angela Mohr sind besorgt. Sie betreibt seit mehr als 30 Jahren ein Textilgeschäft in Kiel und merkt jetzt schon, dass nicht mehr so viele Kunden kommen. "Am Samstag war wirklich wenig los und es war eigentlich Shopping-Wetter. Es war kein Strandwetter mehr", sagt die Ladeninhaberin. Wie sich das in Zukunft entwickeln wird, daran wolle sie erst gar nicht denken.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Timo Langer gemacht, der in der Landeshauptstadt einen Haushaltswarenladen führt. Seiner Meinung nach hätten die meisten Kunden bereits jetzt die Preiserhöhungen im Kopf. "Darum habe ich die Befürchtung, dass es im Herbst vielleicht deutlicher zu spüren ist, dass weniger hochpreisige Sachen gekauft werden." Langer geht davon aus, dass viele Menschen dann eher sparen würden.

Auch Onlinehandel ist von Umsatzrückgang betroffen

Die Kunden geben schon jetzt nicht mehr so gern Geld aus, bestätigt Mareike Petersen, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. In den Innenstädten gingen 20 bis 30 Prozent weniger Menschen bummeln, als noch vor der Pandemie. "Wir haben im Moment keine Branche, wo wir sagen, der geht es gut. Man merkt sehr deutlich, dass die Leute genau gucken, was brauche ich und was brauche ich nicht." Die Menschen würden nur noch sehr gezielt einkaufen. Selbst dem Onlinehandel ginge es gerade nicht besser, erklärt Petersen.

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Lieferengpässe verschärfen die Lage

Massive Lieferengpässe verschärfen die Lage im Einzelhandel. Häufig wissen die Händlerinnen und Händler selbst nicht, wo in der Lieferkette es eigentlich hakt. Axel Bornhöft betreibt mehrere Bekleidungsgeschäfte in Rendsburg und Schleswig. Neulich bekam er einen Anzug nicht, weil die Knöpfe fehlten. Wenig später seien Herren-Unterhosen nicht geliefert worden oder Kleidungsstücke seien nur in einzelnen Größen verfügbar, berichtet er.

Timo Langer, Geschäftsführer des Haushaltswarenladens in Kiel, hat vor drei Wochen eine Lieferung erhalten, die er nach eigenen Angaben bereits im Dezember 2021 in Auftrag gegeben hat. "Man hat schon fast vergessen, dass man es bestellt hatte und plötzlich trudelt es ein. Aber da können ja auch die Firmen teilweise nichts dafür."

Handelsverband fordert mehr Unterstützung

Der Handelsverband Nord sagt mit Blick auf den anstehenden Herbst voraus, dass mehr finanzielle Hilfen als das versprochene Darlehenspaket der Landesregierung für Geschäfte notwendig werden. In den Innenstädten verschwinden schon jetzt größere Ketten wie nun der Hamburger Schuhhändler Görtz. Daneben, so Mareike Petersen, müssen auch viele kleinere Läden in Schleswig-Holstein schließen - und das nahezu unbemerkt.

Auch andere Branchen unter Druck

Nach Angaben des Unternehmensverband Nord und der Industrie- und Handelskammer stehen auch viele andere Unternehmen und Betriebe im Land vor großen Herausforderungen. Die Lieferengpässe gibt es demnach in fast allen Branchen. Die Folge: Produktionen geraten ins Stocken, lange Wartezeiten bei Vertragspartnern und Verbrauchern. Besonders schwierig für die Unternehmen im Land ist demnach, dass sie sich kaum darauf einstellen können, was als nächstes nicht geliefert werden kann, erklärt Sebastian Schulze vom Unternehmensverband Nord. Die Unternehmen können also nicht planen.

Grund für die anhaltenden Lieferprobleme ist laut Industrie- und Handelskammer Lübeck unter anderem die strenge Corona-Politik in China: Häfen und Unternehmen mussten dort zeitweise schließen und ihre Produktionen stoppen. IHK und UV Nord empfehlen Betrieben im Land, dass sie die Teile für ihre Produktionen auf anderen Märkten einkaufen oder wenn möglich sogar versuchen, sie selbst herzustellen.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 13.09.2022 | 19:30 Uhr

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