Großhansdorf auf dem Weg zur Schwammstadt

Stand: 19.02.2023 05:00 Uhr

Großhansdorf erhält Zugriff auf ein neuartiges 3D-Simulationsmodell für Starkregen. Diese technische Neuerung soll den Grundstein für einen Wandel zur starkregensicheren Schwammstadt legen.

von Ole ter Wey

Der Schulhof des städtischen Schulzentrums in Großhansdorf (Kreis Stormarn): eine grüne Wiese mit vielen Bäumen. Die angrenzenden Straßen werden links und rechts von Grünstreifen gesäumt, alle sichtbaren Dächer sind von Pflanzen übersät. Selbst vor dem Lehrerparkplatz macht die Natur nicht halt: Zwischen den Rasengittersteinen wuchert das Unkraut.

3D-Simulationsmodell der Schwammstadt für Wasseraufnahme und -abgabe bei Starkregen © HAMBURG WASSER/Tobias Wandres
So könnte eine ideale Schwammstadt aussehen.

So oder so ähnlich stellt sich Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß (parteilos) die Zukunft seiner Gemeinde vor. Sein erklärtes Ziel sei der Wandel von Großhansdorf zu einer sogenannten Schwammstadt. Auf Grund ihrer vielen unversiegelten Flächen kann eine Schwammstadt bei Regenfällen Wasser aufsaugen und bei späteren Hitzeperioden an anderer Stelle wieder abgeben - wie ein Schwamm.

Hilfe von den Hamburger Wasserwerken

Die Realität sieht derweil noch anders aus. Das besagte städtische Schulzentrum beispielsweise bietet so wenige Versickerungsmöglichkeiten, dass es bei Starkregen der Stufe sieben innerhalb einer halben Stunde überflutet sein könnte. Herausgefunden haben das Wissenschaftler der Hamburger Wasserwerke, dem Stadtwerk, dass die Kanalisation verwaltet. Die Wissenschaftler entwickelten über Jahre ein 3D-Simulationsmodell für Starkregen, das jetzt als Pilotprojekt in Großhansdorf getestet wird. In dieses wurden Abertausende Informationen zum Kanalnetz und zur Oberflächenbeschaffenheit der Gemeinde bei Hamburg eingespeist. Wählt man nun eine Starkregenintensität aus, kann man laut Stadthydrologe Andreas Baier für jede Straße Großhansdorfs sehen, "wie sich das Wasser auf Oberfläche und Kanalnetz bewegt".

Erste Umbaumaßnahmen

Im Fall des städtischen Schulzentrums sieht man relativ schnell: Das Wasser bewegt sich gar nicht, es flutet stattdessen Schulhof und Parkplatz. Bürgermeister Voß ist dankbar für diese Erkenntnis, durch das Simulationsmodell wisse die Gemeinde nun genau, "wo die Flussrichtungen sind, wo sich Wasser staut, wo wir entsickern können". Tatsächlich plant die Gemeinde auf dieser Grundlage nun konkrete Maßnahmen, im kommenden Jahr soll die Kanalisation unter der Schule für mehr als eine Million Euro ausgebaut werden. Eine langfristige Lösung sei das aber nicht, findet Stadthydrologe Baier, denn bei Starkregen könnte nicht alles abgeleitet werden. Er ruft ins Gedächtnis: "Wir wollen versuchen, dass die Stadt wie ein Schwamm funktioniert."

Kommunale Gemeinschaftsaufgabe

Ein kürzlich fertiggestelltes Regenrückhaltebecken und die Entsiegelung erster Flächen sei ein Anfang. Damit die Gemeinde aber tatsächlich starkregensicher wird, müssten die Entwässerungswerke, Politik und Wirtschaft eng verzahnt arbeiten, betont Baier. Und auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde sollen ihren Teil beitragen. Zum einen würden private Baumaßnahmen notwendig sein, denn auch jede entsiegelte Zufahrt oder Dachbegrünung schafft Versickerungsflächen. Zum anderen seien die Wissenschaftler von Hamburg Wasser auf Fotozusendungen und Rückmeldungen aus der Bevölkerung angewiesen, um das Simulationsmodell weiter zu verbessern.

Zuversichtlicher Blick in die Zukunft

Bürgermeister Voß ist zuversichtlich, "dass es gelingt, alle Akteure für das Projekt Schwammstadt zu begeistern" und stellt in Aussicht, alle kommenden Baumaßnahmen schon vorbereitend in der Bauleitplanung am Simulationsmodell auszurichten. Und auch die Entwickler dieses Simulationsmodells haben große Pläne: Die Simulationen sollen durch weitere Daten noch genauer, das Modell im Internet auch für Privatpersonen nutzbar gemacht werden und sogar der Einsatz von VR-Brillen sei denkbar.

Wer also den langwierigen Umwandlungsprozess der Gemeinde Großhansdorf in eine Schwammstadt nicht abwarten kann, darf zumindest darauf hoffen, bald die VR-Brille aufzusetzen, den "Schwammstadt-Modus" anzuwählen und einen Blick auf eine grüne Wiese mit vielen Bäumen zu erhaschen: den Schulhof des städtischen Schulzentrums.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 19.02.2023 | 19:30 Uhr

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