Corona-Wirtschaftshilfen: Steuerberater unter Druck
Weil Steuerberater für die Beantragung von Wirtschaftshilfen zuständig sind, können sie sich vor Arbeit kaum retten. Doch verlässliche Ansagen vom Bund gibt es kaum.
von Alexandra Bauer
Während andere in Kurzarbeit sind, wächst bei Steuerberatern aktuell der Berg an Arbeit. Denn sie beantragen für Unternehmen, Einzelhändler und auch Soloselbständige Wirtschaftshilfen. In der Praxis bedeutet das: Viele neue Wirtschaftsprogramme, in die sich Steuerberater neben ihrem normalen Tagesgeschäft einarbeiten müssen.
Einarbeitung in Wirtschaftshilfen kostet viel Zeit
Für Steuerberater Robert Pasewald aus Kiel ist die Einarbeitung in die November- und Dezemberhilfen sowie die Überbrückungshilfen I-III eine ständige Aufgabe. Manchmal komme es auch vor, dass er seinen Mandanten nicht alles in Rechnung stellen kann, weil er weiß, dass sie gerade auf jeden einzelnen Euro angewiesen sind. Jeden Morgen priorisiert er neu, wer an diesem Tag seine Hilfe am dringendsten braucht. "Diejenigen, die schon länger im Geschäft sind, halten in der Regel durch, weil sie Rücklagen haben", sagt er. Problematisch sei es für junge Unternehmen. Manchmal habe er sogar weinende Mandanten am Telefon. Ob die Verzweiflung echt sei, könne er allerdings nicht immer sagen.
Die Beantragung der Wirtschaftshilfe über sogenannte "prüfende Dritte" wurde deshalb eingeführt, weil es im ersten Lockdown bei der Soforthilfe viele Betrugsfälle gab. Seit der Novemberhilfe können Anträge in der Regel nur noch über einen Steuerberater, einen Wirtschaftsprüfer oder andere Dritte gestellt werden. Sie haften für die Angabe ihrer Mandanten, die sie gegenüber den Behörden machen.
Offizielle Informationen lassen auf sich warten
Die neue Arbeit führt in vielen Kanzleien zu einer Zusatzbelastung. Auch weil Informationen zu den einzelnen Wirtschaftsprogrammen erst über Umwege bei den Steuerberatern ankämen, schildert Steuerberater Jürgen von Lengerke aus Reinfeld. Er hat sogar schon erlebt, dass das Bundeswirtschaftsministerium es über Twitter mitteilt, wenn Antragsfristen verlängert werden. Offizielle Informationen kämen hingegen erst später. "Wir haben bis März, April letzten Jahres auf Basis von Gesetzen arbeiten können. Inzwischen arbeiten wir anhand von FAQs, Interviews aus der Bildzeitung und Twitter-Mitteilungen", sagt er. Wenn Mandanten über Medien Informationen zu neuen Hilfen mitbekommen, rufen Sie direkt beim Steuerberater an, heißt es auch beim Steuerberaterverband Schleswig-Holstein. Doch die Steuerberater müssten ihre Mandanten oft vertrösten, weil ihnen die nötigen Informationen vom Bund fehlen.
Schwierige Kommunikation mit Mandanten
Bei der Beantragung der Wirtschaftshilfen orientieren sich Steuerberater momentan an den sogenannten "FAQs", den Frequently Asked Questions, also den häufig gestellten Fragen. Die werden auf der Seite des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlicht und sind momentan die einzige Grundlage, an denen sich Steuerberater orientieren können, so von Lengerke. Doch zum Teil sind die Antworten des Fragenkatalogs widersprüchlich, oft nicht praktikabel und ändern sich ständig. Manchmal sogar im wöchentlichen Rhythmus. Das sei auch für die Kommunikation mit den Mandanten schwierig, schildert von Lengerke. Es käme vor, dass man eine Woche später das Gegenteil von dem behaupte, was man vorher gesagt habe. Planungssicherheit für Mandanten gäbe es kaum.
Fehlende Rechtssicherheit in der Kritik
In der Praxis führen die vielen Änderungen zu einer enormen Arbeitsbelastung, sagt der Steuerberater: "Normalerweise handeln wir nach Gesetzen, heute fühlen wir uns so, als würden wir mit fünf Bällen jonglieren und das bei geschlossenen Augen und auf einem Bein hüpfend." Die fehlende Rechtssicherheit kritisiert er: "Wir sind als prüfende Dritte verpflichtet, die Gesetze einzuhalten. Wenn die Anwendung der Gesetze nicht einmal klar ist, dann begeben wir uns in das Risiko der Beihilfe zum Subventionsbetrug." Deshalb dokumentieren Steuerberater jeden aktuellen Informationsstand der FAQs vom Bundeswirtschaftsministerium, um diesen im Zweifelsfall nachweisen zu können.
Problem wird sich verschärfen
Das Problem für Steuerberater werde sich wohl im Frühjahr noch einmal verschärfen, heißt es vom Steuerberaterverband Schleswig-Holstein. Denn: Die Anzahl der Betroffenen, die Wirtschafshilfen beantragen können, wachse ständig. Von Lengerke rechnet damit, dass sie wohl noch das gesamte Jahr mit den Hilfen zu tun haben werden. Schon jetzt besuchen einige Steuerberater Onlineseminare, um sich auszutauschen, wie die neuen Hilfen beantragt werden können und wie sie mit der aktuellen Situation umgehen sollen. Denn auch bei den erst kürzlich veröffentlichten Fragen und Antworten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Überbrückungshilfe III sind wieder Fragen offengeblieben. Die Anträge können jetzt zwar gestellt werden - aber einige Steuerberater rechnen trotzdem damit, dass sie im Nachhinein wieder angepasst werden müssen.
