Eine Pflegerin misst einer Seniorin zuhause den Blutdruck. © IMAGO / Westend61

Barmer rechnet mit Preisexplosion in der Altenpflege

Stand: 24.06.2022 16:40 Uhr

Die Barmer Schleswig-Holstein geht davon aus, dass viele Senioren in der Altenpflege künftig Hunderte Euro monatlich mehr zahlen müssen. Hintergrund ist die gesetzlich festgelegte Tariftreuepflicht.

Ab dem 1. September müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege nach Tarif bezahlt werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Pflegekassen einen Versorgungsvertrag mit stationären Pflegeeinrichtungen schließen können. In Einrichtungen, die ihr Pflegepersonal bislang nicht nach Tarif bezahlt haben, wird es nach Angaben der Barmer deshalb zu "teils horrenden Steigerungen des Eigenanteils" kommen. Die Krankenkasse geht davon aus, dass diese Auswirkungen insbesondere in Schleswig-Holstein massiv zu spüren sein werden, da hier bisher vergleichsweise wenig Einrichtungen tarifgebunden sind oder eine Anlehnung an Tarifwerke haben.

Barmer: Bis zu 800 Euro im Monat mehr

"Das kann sehr, sehr drastische Auswirkungen haben. Um ein Beispiel zu nennen: Es könnte durchaus sein, ein zu Pflegender auf einmal 800 Euro im Monat mehr zahlen muss. Es wird am Ende vielen nichts übrig bleiben, als sich beim Sozialamt zu melden und dort Sozialhilfe zu beantragen", sagte Torsten Nowak von der Barmer Schleswig-Holstein.

Die Krankenkasse rechnet mit Steigungen von 30 Prozent und mehr, in Extremfällen könnte es sein, dass Bewohner von ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen doppelt so viel zahlen müssen, wie bisher. Bislang seien in Schleswig-Holstein die Eigenanteile in der Pflege gegenüber dem Bundesvergleich unterdurchschnittlich gewesen.

Nur 20 Prozent der Einrichtungen in SH zahlen nach Tarif

In Einrichtungen, die ihre Pflegekräfte bereits nach Tarif bezahlen ändert sich nichts - das sind laut Barmer in Schleswig-Holstein jedoch nur 20 Prozent. "Aufgrund der neuen Berechnung kommt es in Schleswig-Holstein zu der absurden Situation, dass nichttarifgebundene Einrichtungen höhere Stundenlöhne zahlen müssten als tarifgebundene Einrichtungen", erklärte der Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein, Bernd Hillebrandt.

CDU-Politiker Kalinka warnt vor Panikmache

Die Barmer fordert, dass die Landesregierung die Mehrkosten auffängt. Das scheint momentan eher unrealistisch zu sein. CDU-Sozialpolitker Werner Kalinka sieht den Bund in der Pflicht und warnte im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein vor Panikmache. Die künftige Landesregierung wolle sich aber mit dem Thema beschäftigen. Im Koalitionsvertrag allerdings sind für Heimbewohner keine Entlastung vorgesehen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.06.2022 | 17:00 Uhr

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