Stephan Weil: Gasumlage ist "bitter, aber notwendig"
Ab Oktober müssen Gasverbraucher eine Gasumlage bezahlen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil sieht keine Alternative für die Sonderabgabe. Sozialverbände warnen vor den Folgen für ärmere Haushalte.
Stephan Weil (SPD) bezeichnete die Gasumlage als "bitter, aber notwendig". Ohne die Sonderabgabe müssten die besonders betroffenen Energie-Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden noch sehr viel stärker zur Kasse bitten, sagte Weil am Montag in Hannover. Deshalb hält er eine Umlage auf alle Gaskunden für fairer. Er plädierte aber dafür, dass die Gasumlage von der Mehrwertsteuer befreit wird.
Weil: Grundgesetz erlaubt Ausnahme von Schuldenbremse
Weil dringt zudem auf weitere Entlastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Für Menschen mit niedrigen Einkommen sei noch nicht genug getan worden - das müsse sich schnell ändern. Der Ministerpräsident wies zudem darauf hin, dass im Grundgesetz für eine Notlage Ausnahmen von der Schuldenbremse vorgesehen seien. Zudem plädierte er für die umstrittene Übergewinnsteuer für Unternehmen, die trotz der Krise hohe Profite machen. Einige andere EU-Länder würden damit längst gute Erfahrungen machen.
Lies: Griff "in den falschen Instrumentenkasten"
Kritik an der Gasumlage kommt dagegen von Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD). Er bezeichnete die Sonderabgabe als Griff "in den falschen Instrumentenkasten". Erst werde den Menschen mehr Geld abverlangt, um sie später über das Wohngeld oder sonstige staatliche Leistungen zu entlasten. Aus seiner Sicht wäre es besser, wenn der Bund die Mehrbelastung trage, sagte Lies.
Althusmann fordert mehr Planungssicherheit
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) forderte den Bund auf, mehr Planungssicherheit für Bürger und Unternehmen zu schaffen. "Bei der Gaspreisumlage muss es eine verlässliche Obergrenze und eine zeitliche Streckung geben, um privaten Haushalten und Unternehmen eine Planungsgrundlage zu geben", sagte er.
Jahresverbrauch von 16.000 Kilowattstunden: 387 Euro Mehrkosten
Die Gasumlage beträgt 2,419 Cent pro Kilowattstunde. Damit können Gasversorger von Oktober bis Ende März 2024 den Großteil der Kosten an ihre Kunden weitergeben, die ihnen entstehen, weil sie ausbleibende Lieferungen aus Russland mit neu gekauftem und deutlich teurerem Gas ersetzen müssen. Bei einem Jahresverbrauch von 16.000 Kilowattstunden für eine Wohnfläche von 100 Quadratmetern wären das 387 Euro Mehrkosten pro Jahr. Mit Mehrwertsteuer sogar 460 Euro. Die niedersächsischen Sozialverbände fordern deswegen Hilfe für Menschen mit geringem Einkommen.
Sozialverbände fordern weitere Entlastungen für Arme
Die Gasumlage sei sozial ungerecht, sagte Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz. Der Verband spricht sich für eine Energiepreispauschale für alle armen Menschen und für alle Rentnerinnen und Rentner aus. Für Menschen, die Hartz IV oder Grundsicherung bekommen, fordert der Verband, dass ihnen das Jobcenter die kompletten Stromkosten ersetzt. Marco Brunotte von der Arbeiterwohlfahrt ist der Ansicht, die Gasumlage hätte aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden müssen. Durch die zusätzlichen Kosten würden sich viele Menschen ihr Leben nicht mehr leisten können. Deswegen müssten Wohngeld sowie Hartz IV und Grundsicherung angehoben werden. Brunotte fordert außerdem kostenlose Mahlzeiten in Schulen und Kitas, um Familien zu entlasten. Er befürchtet, dass sich die Situation zum Jahresende noch weiter verschärfen wird. Dann stünden Eltern vor dem Problem, neue Winterschuhe und Jacken für ihre Kinder kaufen zu müssen.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hatten wir einen falschen Betrag für die Kosten von 16.000 Kilowattstunden errechnet. Ursache war ein Zahlendreher. Wir haben den Fehler korrigiert.