Pistorius will unkomplizierte Aufnahme von Afghanen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat nach Länder-Gesprächen ein schnelles Aufnahmeprogramm des Bundes für Afghanen gefordert. Niedersachsen stellt mindestens 450 Plätze bereit.
Das teilte das Innenministerium am Mittwoch mit. Die Menschen sollen demnach zunächst im Grenzdurchgangslager Friedland (Landkreis Göttingen) untergebracht werden. Die Aufnahme solle kurzfristig zentral über die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen erfolgen.
Pistorius: "Wird schwer genug, die Menschen herauszuholen"
In einer eigens anberaumten Telefonkonferenz haben sich am Mittwoch die Innenministerinnen und -minister und -senatoren der Länder zur aktuellen Situation in Afghanistan ausgetauscht. Dabei wiederholte Pistorius seine Forderung nach schnellem Handeln bei der Aufnahme von Ortskräften und anderen bedrohten Menschen aus Afghanistan. "Es wird nun schwer genug, die Menschen jetzt noch sicher aus Afghanistan herauszuholen. Um die Verfahren nicht weiter zu verkomplizieren, brauchen wir schnell ein Bundesaufnahmeprogramm. Der Bund hat hierfür alles in der Hand und kann auf dieser Grundlage Schutzbedürftige nach Deutschland holen", sagte Pistorius im Anschluss an die Gespräche.
"Brauchen eine gemeinsame Lösung"
Für Pistorius geht es insbesondere um diejenigen, die für deutsche Entwicklungseinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und ähnliche Initiativen gearbeitet haben, aber auch um Journalistinnen und Journalisten und Personen, die sich für Menschen- und Frauenrechte einsetzen. "Ein Bundesaufnahmeprogramm ist jetzt die schnellere und effektivere Lösung als einzelne Landesaufnahmeprogramme. Wir brauchen jetzt keinen politischen Wettbewerb um Zahlen, sondern eine gemeinsame, verlässliche Lösung für diejenigen, die unmittelbar von den Taliban bedroht sind", sagte Pistorius weiter.
Bislang 36 Ortskräfte mit Familien aufgenommen
Die Landesinnenminister haben Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Pistorius zufolge aufgefordert, gemeinsam ein Bundesaufnahmeprogramm auf den Weg zu bringen. "Wenn die Menschen in Deutschland angekommen sind, kann sich der Bund bei der Aufnahme der Ortskräfte, aber auch anderer vulnerabler Gruppen auf uns als Länder verlassen", sagte der Minister. Niedersachsen unterstütze bereits seit einigen Monaten die Aufnahme afghanischer Mitarbeitender von Bundeswehr und Ministerien in Deutschland, hieß es aus dem Innenministerium. Bis Mitte August wurden den Angaben zufolge 36 Ortskräfte mit 151 Familienangehörigen aufgenommen.
Garbsen will Menschen aus Afghanistan aufnehmen
In Hannover demonstrierten am Mittwoch rund 2.000 Menschen nach einem Aufruf des Bündnisses Seebrücke. Sie forderten eine Luftbrücke und unbürokratische Unterstützung für Betroffene in Afghanistan. Die Stadt Garbsen in der Region Hannover hat bereits signalisiert, dass sie Menschen aus Afghanistan aufnehmen will. In Absprache mit Bund und Land solle schnell und unbürokratisch humanitäre Hilfe angeboten werden, hieß es aus dem Rathaus. Die Stadt prüft daher, wie viele Plätze es in bereits bestehenden Unterkünften gibt und wo darüber hinaus noch Menschen untergebracht werden könnten.
Schröder-Köpf: Brauchen Aufnahmeprogramm für Frauen und Mädchen
Einen Fokus will die niedersächsische Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf, auf besonders gefährdete Frauen legen. "Die Taliban zeigen sehr deutlich, dass sie Frauenrechte und Gleichberechtigung verachten", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Hannover. Engagierte Frauen sowie zahlreiche Frauenrechtlerinnen, Journalistinnen, Politikerinnen, Aktivistinnen und Künstlerinnen erwarteten unvorstellbare Gräueltaten. Und Mädchen, die unter den radikal-islamischen neuen Machthabern in Afghanistan vermutlich kaum noch Schulen besuchen könnten und schikaniert würden, bräuchten dringend Schutz und Perspektiven. "Wir können nicht tatenlos zusehen, wie ambitionierte Frauen und Mädchen um ihre Leben betrogen, verletzt oder getötet werden." Daher solle Niedersachsen ein Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen auflegen.
Länder evakuieren Staatsangehörige und Ortskräfte
Am frühen Mittwochmorgen landete in Frankfurt am Main eine Lufthansa-Maschine mit rund 130 deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräften. Nachdem die militant-islamistischen Taliban innerhalb weniger Tage ganz Afghanistan eingenommen und die Macht übernommen haben, versuchen viele Länder, darunter Deutschland, so schnell wie möglich eigene Landsleute und afghanische Ortskräfte auszufliegen. An der Luftbrücke, die weiter fortgesetzt wird, sind mehrere Airbus A400M der Bundeswehr beteiligt, die am Montag vom Fliegerhorst in Wunstorf in der Region Hannover gestartet waren.
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