Justizministerin Barbara Havliza (CDU) und Innenminister Boris Pistorius (SPD) sitzen bei einer Pressekonferenz nebeneinander. © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Clan-Kriminalität: Behörden decken deutlich mehr Fälle auf

Stand: 11.07.2022 15:14 Uhr

Im vergangenen Jahr hat die Polizei in Niedersachsen 2.841 Fälle von Clankriminalität registriert - 890 mehr als im Vorjahr. Laut Justizministerin und Innenminister gab es aber nicht mehr Verbrechen.

Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Justizministerin Barbara Havliza (CDU) erklärten den statistischen Anstieg damit, dass Polizei und Staatsanwaltschaften kriminelle Clans mehr in den Blick nehmen als früher - und den Druck erhöhen. Die Behörden greifen von mehreren Seiten an: Zoll, Finanzermittler, Polizei und Gewerbeaufsichtsämter versuchen, den Clans das Leben schwer zu machen. Auch die Entschlüsselung verschlüsselter Kommunikation habe zur Aufhellung von kriminellen Handlungen beigetragen, hieß es.

58 Prozent der Tatverdächtigen haben deutschen Pass

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2.622 Personen als Tatverdächtige im Bereich Clan-Kriminalität erfasst, im Jahr davor waren es 1.886. Von den Tatverdächtigen sind laut dem Lagebild zur Clankriminalität fast 84 Prozent männlich und insgesamt 58 Prozent haben einen deutschen Pass. Die Hauptherkunftsländer der übrigen 42 Prozent waren die Türkei, Rumänien, der Libanon und Syrien.

Clan-Kriminalität: Anteil von 0,6 Prozent an Kriminalstatistik

Den überwiegenden Teil der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte, Straftaten gegen die persönliche Freiheit und Drogengeschäfte aus. Weitere Delikte waren das Fälschen von Impfpässen, Betrug mit Corona-Testzentren oder das Bedrohen von Polizeibeamten. Insgesamt machen Clan-Straftaten einen Anteil von 0,6 Prozent an der gesamten polizeilichen Kriminalstatistik in Niedersachsen aus. Beruhigend sei das nicht, sagte Innenminister Pistorius.

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"Null-Toleranz-Strategie" bei der Bekämpfung von Clans

Den Clans gehe es darum, zu zeigen, dass für sie Gesetze nicht gelten, sagte Pistorius. Die Täter wollten den Betroffenen mit ihrem Auftreten das Gefühl vermitteln, dass Polizei, Justiz und andere Behörden geradezu machtlos gegen sie seien. "Aber das ist nicht der Fall", so Pistorius. Die niedersächsischen Strafbehörden verfolgten eine konsequente und unnachgiebige "Null-Toleranz-Strategie" bei der Bekämpfung krimineller Familienclans. Landespolizeipräsident Axel Brockmann erklärte: "Rechtsfreie Räume und Paralleljustiz werden nicht geduldet." Hochwertige Fahrzeuge dienten den Mitgliedern oft als Statussymbol, um Macht auf der Straße zu demonstrieren. Diese würden den Clan-Mitgliedern weggenommen, ebenso wie der Führerschein.

Havliza: Konsequente Strafverfolgung

Die Behörden schätzen, dass mehrere Hundert Großfamilien in Niedersachsen leben, die kriminell sind. Es sind allerdings nicht immer alle Familienmitglieder in Straftaten verwickelt, manchmal sind es nur wenige. Dass Polizei und Staatsanwaltschaften die Straftaten konkreten Personen zuordnen müssen, mache die Arbeit schwierig, sagte Justizministerin Havliza. Die vier Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften des Landes in Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade hätten im vergangenen Jahr 853 Verfahren geführt. Dies belege: "Dass wir auf das Phänomen Clankriminalität eine klare Antwort haben, sie lautet: konsequente Strafverfolgung", so Havliza.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 11.07.2022 | 14:00 Uhr

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