Bundeskanzler Olaf Scholz (M., SPD), Yasmin Fahimi, DGB-Chefin, und Rainer Dulger, Arbeitgeberpräsident, kommen im Bundeskanzleramt zur Pressekonferenz nach den Gesprächen zur sogenannten konzertierten Aktion gegen die Inflation in Deutschland. © picture alliance/dpa Foto: Kay Nietfeld

Krisengipfel: Scholz stimmt Bürger auf lange Inflationskrise ein

Stand: 04.07.2022 22:15 Uhr

In Berlin haben am Montag Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Umgang mit den gestiegenen Preisen gesprochen. Die "Konzertierte Aktion" hat ihr Vorbild in ähnlichen Gesprächen in den 1960er- und 1970er-Jahren.

Scholz stimmte die Bürger auf eine lang anhaltende Krise mit hohen Preisen ein. "Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen", sagte der SPD-Politiker zum Auftakt der "Konzertierten Aktion" mit den Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften im Kanzleramt. Russlands Krieg in der Ukraine und die durch die Pandemie gestörten Lieferketten sorgten für eine generelle Unsicherheit. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich diese Lage auf absehbare Zeit nicht ändern wird", sagte Scholz. "Wir stehen vor einer historischen Herausforderung."

Gemeinsame Instrumente gegen Preissteigerungen finden

Ziel der Gespräche sind gemeinsame Instrumente, um den Preissteigerungen in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Geplant ist ein längerer Prozess mit mehreren Treffen. Ergebnisse soll es im Herbst geben. "Wir werden als Land durch diese Krise nur gut durchkommen, wenn wir uns unterhaken, wenn wir uns gemeinsam auf Lösungen einigen", sagte Scholz. Die Gesellschaft sei viel stärker als manchmal unterstellt werde. "Wichtig ist mir die Botschaft: Wir stehen zusammen", sagte der Kanzler.

Dulger: "Härteste Krise seit der Wiedervereinigung"

"Dieses Land steht vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung", sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. "Vor uns liegen schwierige Jahre", ergänzte Dulger. "Ein stetiges Wirtschaftswachstum, wie es vor Corona und dem Ukrainekrieg erlebt haben, ist keine Selbstverständlichkeit mehr."

Senkung von Steuern und Sozialabgaben gefordert

DGB-Chefin Yasmin Fahimi sagte, man sei sich einig gewesen, dass es keine Lohn-Preis-Spirale gebe, die Inflation also nicht von hohen Löhnen angetrieben werde. Dulger sagte: "Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber, aber die Menschen spüren die Inflation." Die Tarifpartner könnten einen Teil der Inflation auffangen. "Das passiert nicht im Kanzleramt", stellte Dulger fest. Die Politik könne aber durch eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben helfen. Fahimi sagte: "Es geht um die Perspektive 2023 und es geht allem voran darum, jetzt alles zu unternehmen, um eine Rezession zu verhindern, Standorte zu stabilisieren, Wertschöpfungsketten zu erhalten und Beschäftigung zu sichern."

Ver.di pocht auf höhere Löhne

Ver.di-Chef Frank Werneke hatte auf NDR Info die Wichtigkeit des Treffens betont. Die Not vieler Menschen sei groß, auch weil die Löhne in der Vergangenheit nicht mit dem Anstieg der Preise Schritt gehalten hätten. Werneke schloss zudem eine zurückhaltendere Lohnpolitik der Gewerkschaften in Deutschland aus. "Es ist keine Zeit für eine tarifpolitische Handbremse", betonte er im ARD-"Morgenmagazin" mit Blick auf die steigenden Lebenshaltungskosten und die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt.

Was war die "Konzertierte Aktion"?

Als das Wirtschaftswunder-Deutschland Ende der 1960er-Jahre in die Krise schlitterte, wurde als Gegenmaßnahme die "Konzertierte Aktion" ins Leben gerufen - eine informelle Gesprächsrunde aus Politik, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Sie trat am 14. Februar 1967 erstmals zusammen, um den Kampf gegen die Inflation und steigende Arbeitslosenzahlen zu führen.

Erfinder war SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller (1911-1994 ). Er hoffte, die Tarifpartner auf Eckpunkte einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik einzuschwören - und eine Überhitzung der Konjunktur durch hohe Lohnforderungen der Gewerkschaften zu vermeiden. Denn damals wie heute war die Gefahr real, dass Löhne und Preise sich gegenseitig in die Höhe treiben. Schiller betonte ausdrücklich, dass keine Eingriffe in die Tarifautonomie vorgesehen seien.

Die Gewerkschaften gingen von Anfang an mit Widerwillen in die Verhandlungen. Sie beharrten auf der Tarifautonomie, waren strikt gegen die Festsetzung von Lohnleitlinien, wie sie der damaligen Regierung aus CDU und SPD vorschwebten. Insgesamt zehn Gesprächsrunden gab es, doch wurde es im Laufe der Zeit immer schwieriger, tragbare Kompromisse zu finden und einen gemeinsamen Kurs zur Stabilisierung abzustecken. 1977 traten die Gewerkschaften vorläufig aus dem Gesprächsforum aus, um gegen eine Verfassungsklage mehrerer Arbeitgeberverbände gegen das Mitbestimmungsgesetz von 1976 zu protestieren. Der DGB-Kongress machte 1978 aus der vorläufigen eine endgültige Absage.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Info | 04.07.2022 | 21:45 Uhr

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