Eine Luftaufnahme vom Gasspeicher in Rehden. © NDR

Gasspeicher: Füllstand erhöht sich aktuell trotz Drosselung

Stand: 12.08.2022 09:25 Uhr

Aktuell kommt nur noch ein Bruchteil der Vorkriegsmenge durch die Gas-Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Trotzdem sind die Füllstände der Gasspeicher ähnlich hoch wie im Vorjahr zu dieser Zeit. Wie kommt das?

von Claus Hesseling

Trotz der angespannten Lage werden die Gasspeicher in Deutschland derzeit täglich weiter mit Erdgas befüllt. Die Grafik zeigt, dass die Speicher ähnlich voll sind wie im Mittel der vergangenen Jahre.

Wenn man die täglichen Veränderungen der Füllstande betrachtet, sieht man, dass sie in den vergangenen Tagen um jeweils 0,3 bis 0,7 Prozentpunkte gestiegen sind.

In den vergangenen Jahren kam ein Großteil des Erdgases für den deutschen Markt aus Russland. Nach einer Wartungsperiode im Juli, in der gar kein Gas floss, leitet Russland seit dem 27. Juli nur noch rund 20 Prozent durch. Woher kommt also das Gas, das die Speicher füllt?

Andere Lieferquellen - Umkehr der Ströme

Ein Grund: Das russische Erdgas wird durch andere Lieferquellen ersetzt - zumindest teilweise: ""Wir haben schon über die letzten Monate eine Umkehr der Gasströme in ganz Europa beobachten könnten. Aus Norwegen kommt relativ viel, über die Niederlande auch, also hauptsächlich Nordsee-Gas", sagt Niko Bosnjak von Open Grid Europe (OGE). Die Firma betreibt in Deutschland mit einer Länge von rund 12.000 Kilometern das größte Ferngasnetz. Auch bei verflüssigtem Erdgas (LNG) sehe man steigende Mengen, die über die Niederlande und Belgien nach Deutschland kommen.

Gasverbrauch in Deutschland bei rund 75 Prozent des Vorjahres

Ein weiterer Grund, warum sich die Gasspeicher füllen: Privathaushalte, Handel und Industrie in Deutschland verbrauchen offenbar weniger. Im Mai und Juni 2022 wurden laut Bundesnetzagentur nur rund 75 Prozent des Erdgases im Vergleich zum Vorjahr verfeuert. In der Summe waren es von Januar bis Juli 533 Terrawattstunden (TWh) Erdgas, im vergangenen Jahr waren es im selben Zeitraum noch 623 TWh. Laut Bundesnetzagentur lag der Juli-Wert ungefähr gleichauf mit dem Vorjahr - allerdings gibt es andere Datenquellen, die zeigen, dass auch im Juli der Verbrauch gesunken ist.

Sorge um die Füllstände im Winter

Dennoch sollte sich niemand von den guten Füllständen täuschen lassen. Die Bundesnetzagentur hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, wie sich die Gasversorgung über den kommenden Herbst und Winter entwickeln könnte. Der wichtigste Faktor dabei ist, wie sich die Lieferungen über Nord Stream 1 weiter entwickeln. Niemand weiß, wieviel Gas in der Heizperiode im Herbst und Winter durch die Pipeline kommen wird. Bei einem kompletten Ausbleiben leeren sich die Gasspeicher eventuell noch während des Winters. Selbst im günstigsten Szenario sind sie danach aber so leer, das sich die Bundesnetzagentur schon über den Winter 2023/24 Sorgen macht. "Die Szenarien haben die Situation sehr gut erfasst. Es geht um die Frage, wie viel wir tatsächlich sparen können und wie viel wir durch LNG ersetzen können", so Niko Bosnjak von OGE.

Auch wenn Europa einigermaßen gut über den Winter kommt - die Gasspeicher werden am Ende sehr wahrscheinlich relativ leer sein. Und so warnt die Bundesnetzagentur bereits, den Winter 2023/24 nicht aus dem Blick zu verlieren. Neben LNG könnten alternative Energieträger wie Wasserstoff dabei eine wichtige Rolle spielen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Hallo Niedersachsen | 07.06.2022 | 19:30 Uhr

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Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

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