Ciesek im Corona-Podcast: Warum Männer stärker gefährdet sind
In der neuen Folge des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update spricht Sandra Ciesek darüber, warum Männer ein größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, über den vermeintlichen Risikofaktor Blutgruppe und über die Augen als mögliche Eintrittspforte für das Virus.
Schon früh in der Corona-Pandemie haben Wissenschaftler festgestellt, dass Männer und Frauen zwar in etwa gleich häufig an Covid-19 erkranken, der Verlauf bei Männern allerdings oft schwerer ist und sie offenbar auch ein höheres Sterblichkeitsrisiko haben. "In Deutschland fällt das vor allem im mittleren Alter zwischen 40 und 69 auf: dass in der Altersgruppe ungefähr doppelt so viele Männer an der Erkrankung gestorben sind", sagt Virologin Ciesek. Sie berichtet von einer in der Fachzeitschrift "Nature Communications" publizierten Meta-Analyse, in der Daten aus mehr als 20 Ländern verglichen wurden: "Man hat noch mal gezeigt, dass Männer und Frauen gleich oft infiziert sind, aber die Mortalität um ein bis zwei Drittel bei Männern höher ist." Auch die Wahrscheinlichkeit, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, sei demnach für Männer 20 Prozent höher.
Männer haben mehr Risikofaktoren als Frauen
Ein Grund dafür könne sein, dass Männer statistisch gesehen deutlich häufiger rauchen und Alkohol trinken, beides Risikofaktoren. Außerdem sei das Immunsystem von Frauen genetisch und hormonell bedingt durchschnittlich besser, erklärt die Medizinerin. "Frauen entwickeln insgesamt stärkere Immunantworten auf Virusinfektionen als Männer", fasst Ciesek die Unterschiede zusammen. Auch nach Impfungen könnten sich die Immunantworten je nach Geschlecht unterscheiden.
Lokale Reaktionen auf Impfungen können bei Frauen stärker ausfallen
In diesem Zusammenhang erwähnt die Virologin eine Publikation, die in der vergangenen Woche im "New England Journal of Medicine" erschienen ist. Dabei geht es um lokale Reaktionen an der Einstichstelle nach einer Impfung mit einem mRNA-Corona-Impfstoff, die erst nach einer Woche oder später auftraten - was ungewöhnlich sei. Verbreitet seien Reaktionen ein oder zwei Tage nach der Impfung. Die beschriebenen Reaktionen bei den betroffenen zehn Patientinnen und zwei Patienten seien teils recht heftige Schwellungen oder Rötungen gewesen, die man aber größtenteils durch Kühlung und Antihistaminika gut in den Griff bekommen habe. "Die Kollegen haben diese Fälle veröffentlicht, um zu warnen, dass man, wenn man das sieht, dran denkt, dass es das geben kann, und dass man nicht fälschlicherweise ein Antibiotikum geben muss. Und dass eine zweite Impfung möglich ist und man frühzeitig weiß, wie man es behandelt." Diese Überempfindlichkeiten seien vor allem bei Frauen zu sehen gewesen.
Höheres Ansteckungsrisiko für Menschen mit Blutgruppe A?
Auch über den möglichen Einfluss der Blutgruppe auf eine Infektion mit dem Coronavirus wird seit Längerem spekuliert. Untersuchungen zeigen, dass viele der Infizierten in Deutschland die Blutgruppe A haben. Allerdings ist dies laut Statistik auch die in Deutschland am häufigsten vorkommende Blutgruppe. Eine neue Studie aus den USA, über die die Medizin-Zeitschrift "Blood Advances" berichtet, versucht zu ergründen, ob Menschen mit Blutgruppe A ein höheres Ansteckungsrisiko haben. Dafür untersuchten die Wissenschaftler, wie das Virus in menschliche Zellen aus dem Atemtrakt eintritt. "Da haben sie gesehen, dass es zu einer vermehrten Bindung der Rezeptorbindedomäne vom Virus an die Blutgruppe-A-Antigene kommt. Sie haben es so interpretiert, dass wahrscheinlich bei der Blutgruppe A das Virus leichter in Zellen gelangen kann", beschreibt Virologin Ciesek diese Untersuchung. Das seien erste Daten, die eine Erklärung für die klinische Beobachtung mit der Blutgruppe A sein könnten. Aber viele Experimente fehlten da noch. Sie glaube nicht, dass sich Menschen mit der Blutgruppe A verstärkt Sorgen machen müssten: "Es gibt deutlich stärkere Risikofaktoren."
Spielen Augen als Eintrittspforte fürs Virus eine Rolle?
Neben der Frage, wer sich aus welchen Gründen leichter anstecken oder schwerer erkranken kann, wird auch weiter diskutiert, über welche Wege das Coronavirus in den menschlichen Körper gelangen kann. Mit Masken soll der Eintritt von Aerosolen und Tröpfchen über Mund und Nase minimiert werden. "The Lancet" hat den Text eines australischen Augenarztes veröffentlicht, der die These aufstellt: Der Schutz der Augen könnte der fehlende Schlüssel sein.
Ciesek schließt nicht grundsätzlich aus, dass Augen auch als Eintrittspforte für das Virus fungieren könnten. Die Augen sind über den Tränenkanal mit dem Nasen-Rachenraum verbunden und das ungeschützte Auge ist leicht erreichbar für Tröpfchen. Brillen könnten gegen diese eine physikalische Barriere sein. Gegen eine Infektion über die Augen spreche, dass das Auge wenig von den sogenannten Eintrittsrezeptoren für das Virus aufweise. Außerdem habe man bei Patienten wenig bis keine Viren in der Tränenflüssigkeit nachweisen können, die Tränenflüssigkeit selbst sei bei den Ciesek bekannten Untersuchungen nicht infektiös gewesen. In bestimmten Bereichen wie der Pflege von Infizierten könne ein Augenschutz sinnvoll sein, sagt die Virologin: "Es reicht aber sicherlich nicht aus für eine generelle Empfehlung."
