CD der Woche: Philippe Jaroussky - La vanità del mondo
Papst Innozenz XI ließ 1689 alle öffentlichen und privaten Opernaufführungen in Rom verbieten, um das unmoralische Treiben zu beenden. Aber die Komponisten wussten sich zu helfen, indem sie sich dem Oratorium zuwandten. Wie viel Opernblut in der eigentlich geistlichen Musik fließt, ist auf einem neuen Album von Philippe Jaroussky und dem Ensemble Artaserse zu erleben.
Es gibt sie schon, die andächtigen, spürbar religiösen Momente. Etwa, wenn Philippe Jaroussky mit weichem Timbre säuselt, umrankt vom Orchester mit einer Sonderrolle für die Sologeige. Da könnte man sich den französischen Countertenor gut als Engelsstimme vorstellen, getragen von den Flügelschlägen der Violine. Aber dieses musikalische Heiligenbild des Komponisten Pietro Torri ist nur eine von vielen Facetten des Albums. Im italienischen Oratorium der Barockzeit steckte auch viel Lust an der Oper. Das ist auf der neuen Aufnahme deutlich zu spüren, die einige Ersteinspielungen enthält.
Packende Dramatik und anrührender Zauber
In einer Arie von Antonio Caldara bebt der biblische Hauptmann Joab vor Zorn auf einen Verräter. "Ergreift das Schwert gegen den Frevler, ein Feigling verdient keine Gnade!" wütet Joab, von Caldara mit wilder Erregung vertont. Philippe Jaroussky und das Ensemble Artarserse entfachen packende Dramatik - auch wenn der Klang des Sängers dabei nie richtig scharf oder hart wird.
Hauptmann Joab ruft zum Schwert, die Amme der Heldin Judith tut genau das Gegenteil und will das Schwert aufhalten. Kurz bevor Judith dem Feldherrn Holofernes den Kopf abschlägt, beschwört die Amme die Kraft der Verführung und wünscht sich den Krieg in den Schlaf, in einem Oratorium von Alessandro Scarlatti. Auch da wirkt die Musik geradezu bildhaft, als wäre es eine Schlummerszene auf der Operbühne. Die Streicher und der Lautenist des Barockensembles scheinen ihre Saiten hier zu streicheln, der Altus singt sanft und süß.
Diese betörend weichen Farben gehören zu den besonderen Stärken von Philippe Jaroussky, der seine Stimme so flexibel wie nur wenige Sängerkollegen führt. Auch in einem Lamento des Neapolitaners Nicola Fago. Über den Inhalt seines Oratoriums hätte man im Beiheft der CD gern etwas mehr als die nackte Übersetzung der Arie gelesen - trotzdem entfacht die Musik einen anrührenden Zauber.
Intime Momente und feine Zwischentöne
Die Stimmkontrolle und das musikalische Gespür von Jaroussky ermöglichen intime Momente und feine Zwischentöne, aber auch einen ausdrucksvollen Gebrauch der italienischen Sprache. In einem Oratorium von Johann Adolf Hasse durchlebt er die Gewissensqualen und die Zweifel des Heiligen Augustinus.
Der französische Altus, mittlerweile Anfang 40, und Ensemble Artarserse sind ein perfekt eingespieltes Team, das den wechselnden Emotionen der Musik sensibel nachfühlt. Die virtuosen Passagen sind nicht als Glitzer inszeniert, sondern selbstverständlicher Teil des Ausdrucks.
Die Interpreten erwecken die Musik zu neuem Leben und bescheren uns einige herrliche Entdeckungen. Ein tolles Barockalbum mit einem außergewöhnlichen Sänger.
La Vanità Del Mondo
- Label:
- Erato
