Michael Kupfer-Radecky: "Wollte noch ein Entspannungsbad nehmen"
Nach einem Bühnenunfall musste während der Aufführung der "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen Michael Kupfer-Radecky für den Wotan-Darsteller Tomasz Konieczny einspringen.
Der neue Ring bei den Bayreuther Festspielen wird heiß diskutiert: Was taugt die Inszenierung von Regisseur Valentin Schwarz? Dann musste auch noch Dirigent Cornelius Meister einspringen, der eigentlich für die Tristan-Premiere vorgesehen war und nun gab es bei der Walküre auch noch einen Bühnenunfall: Der Sänger des Wotan, Tomasz Konieczny, kippte im 2. Aufzug hinten über, weil die Rückenlehne eines Sessels brach. Er hat dann tapfer diesen Aufzug zu Ende gesungen, danach ging allerdings nichts mehr. Wie die Bayreuther Festspiele unterdessen mitgeteilt haben, befindet sich Tomasz Konieczny auf dem Weg der Besserung. Er werde bei der geplanten Premiere von "Siegfried" (Mittwoch) wie geplant singen.
Im 3. Aufzug sprang Michael Kupfer-Radecky ein - Ensemblemitglied am Staatstheater Hannover - eigentlich für den Gunther in der Götterdämmerung vorgesehen. Ein Gespräch über den Unfall, das "kalte Wasser" und "Wie geht's weiter?".
Wie haben Sie denn an dem Abend erfahren, dass sie einspringen müssen? Wo waren Sie da?
Kupfer-Radecky: Ich war bei mir in meiner Wohnung, außerhalb von Bayreuth. Ich war gerade vom Einkaufen und vom Sport zurückgekommen und wollte mich eigentlich am Abend zum einen einer neuen Partie für Hannover widmen und zum anderen ein Entspannungsbad nehmen, als der Betriebsdirektor von den Festspielen Daniel Weber bei mir anrief und fragte: Michael, wo bist du gerade? Und er meinte dann: Du, kannst du mal vorsichtshalber ins Festspielhaus rüberkommen? Tomasz ist was passiert - einfach mal nur so zur Absicherung. Ja, dann habe ich mich ins Auto gesetzt, war 20 Minuten später im Festspielhaus und betrat da einen Raum, in dem schon alles vorbereitet war: Maske, Make-up und Kostüm. Da war schon klar, dass der Tomasz mit diesem Unfall zu kämpfen hat. Fünf Minuten nachdem die Pause begann, kamen Katharina Wagner und Daniel Weber in den Raum und meinten, es wäre jetzt so weit.
Und Sie haben ja dann nicht nur am Bühnenrand gesungen, wie das manchmal so ist bei Einspringern, sondern auch auf der Bühne agiert. Hatten Sie die Szene durchs Zuschauen beim Proben drauf?
Kupfer-Radecky: Es gab ja den Umstand am Beginn der Probenzeit, dass es da schon einen Wechsel bei den Wotanen gab. Als John Lundgren leider absagen musste und als die Bühnenproben für die Walküre angesetzt waren, konnte Tomasz Konieczny noch nicht da sein, und Valentin Schwarz wusste, dass ich die Partie ja draufhabe. Er hat mich gebeten: Bitte, kannst du einfach ein bisschen da rumstehen, dass einfach die Kolleginnen jemanden zum Anspielen haben? Und so habe ich vor sechs Wochen ungefähr mal zwei Proben gemacht, habe das aber danach sofort wieder ad acta gelegt und überhaupt nicht weiter darüber nachgedacht. Aber zumindest war mir die Inszenierung und die Regie nicht ganz unbekannt. Was auch mit ein Grund war, warum Katharina Wagner und Daniel Weber mich gefragt haben, ob ich es denn auch szenisch machen kann.
Und klar, dass Sie die Partie drauf haben - aber trotzdem wirft man vorher mal doch einen Mini-Blick in den Klavierauszug?
Kupfer-Radecky: Ich habe, während ich das Make-up bekommen habe und das Kostüm anprobiert wurde, einen Klavierauszug vor mit liegen gehabt. Cornelius Meister kam in der Pause noch dazu und ist mit mir ein paar Sachen durchgegangen, aber das war es dann. Zum Glück haben wir ja hier in Bayreuth hervorragende Souffleusen und Souffleure. Der Kollege, der am Abend im Kasten saß, war eine große, große Hilfe.
Agiert man in solchen Situationen freier auf der Bühne, weil man weiß, man hat jetzt wirklich einen Bonus bei Zuschauern und Kritikern?
Kupfer-Radecky: An so etwas denken Sie gar nicht. Sie versuchen in dem Moment einfach irgendwie alles so gut zu machen. Mein Bestreben war immer, dass ich vor allem meine Kollegin Iréne Theorien nicht aus dem Konzept bringe, weil das ja doch alles sehr, sehr detailreich von Valentin Schwarz inszeniert ist. Da denkt man an solche Sachen wie: Oh Gott, wann ist jetzt mein nächster Einsatz? Okay, in zwei Takten geht es los. Was ist jetzt das erste Wort? Aha. Ja, fällt mir ein. Es gibt so viele Dinge, an die Sie in dem Moment denken, aber nicht an irgendwelche Bonusse oder Kritiker.
Wie geht es denn jetzt weiter? Am Freitag steht die Götterdämmerung an. Da singen Sie nach wie vor den Gunther, oder?
Kupfer-Radecky: Das bleibt jetzt so. Ich bin ja noch Cover für den Holländer - da ist heute Abend die Generalprobe. Da muss ich dann auch noch hin. Aber ich hoffe, dass der Kollege Meyer da gut durchkommt. Ich habe noch ein paar Kinder-Vorstellungen vom Lohengrin in der Kinderoper hier in Bayreuth zu absolvieren. Aber jetzt geht erstmal alles planmäßig weiter.
Letzte Frage. Ich weiß, da muss man vorsichtig sein als Sänger, sich zu äußern. Sie können natürlich auch gerne ausweichen. Fühlen Sie sich wohl in der Ring -Inszenierung von Valentin Schwarz?
Kupfer-Radecky: Ja, muss ich sagen. Ich habe natürlich aber auch den Vorteil, dass ich mich schon länger damit beschäftige und sehr viele intensive Gespräche wegen der Inszenierungsarbeit hatte. Und ich hatte jetzt auch schon das Glück, den kompletten Ring in den Generalproben zu sehen, also die drei Teile vor der Götterdämmerung. Und mir erschließt sich da schon sehr, sehr vieles. Und ich finde es spannend, mit Valentin zu arbeiten, weil er halt vor allem ein unglaublich guter Handwerker ist - was die Personenführung betrifft, was ich sehr schätze, was in der heutigen Zeit in der Opernregie nicht immer der Fall ist. Von dem her, kann ich aus meiner persönlichen Sicht fast nur Positives über den Ring sagen.
Das Gespräch führte Eva Schramm.