"Er war kein Blender": Zum Tod des Dirigenten Stefan Soltész
Der Dirigent Stefan Soltész ist am Freitagabend vor fast ausverkauftem Haus im Münchner Nationaltheater umgefallen und gestorben. Der Operntenor Daniel Behle stand zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne.
Während einer Vorstellung im Münchner Nationaltheater am Freitagabend ist der Dirigent Stefan Soltész zusammengebrochen und kurz danach verstorben. Mit Entsetzen und großer Trauer gebe die Bayerische Staatsoper den Tod des 73-Jährigen bekannt, teilte ein Sprecher mit. Der Vorfall ereignete sich, während Soltész die Komische Oper "Die schweigsame Frau" dirigierte.
Herr Behle, Sie sangen am Freitag in der Strauss-Oper die Partie des Henry Morosus. Wie haben Sie den Abend erlebt?
Daniel Behle: Sehr unvorhergesehen, dass das eingetreten ist. Es war ein sehr schwungvoller Beginn, wir hatten nicht viel Vorbereitungszeit. Diese Opernfestspiele sind ja immer so, dass man sich da für zwei Proben trifft. Und dann wird so eine Produktion sozusagen mit viel Talent auf die Bühne gebracht. Herr Soltész ist natürlich der beste Mann. Er hat die Produktion ja auch im Frühjahr gemacht. Wir haben uns bei den Proben getroffen, da war er ganz der Alte, mit all seinen Sprüchen und seinem Humor und auch seiner Strenge und seinem Können.
Vor der Aufführung kam er noch in meine Garderobe. Und wir haben noch über unsere Gala gesprochen, die wir zusammen in Dortmund hatten, wo er auch "Hopfen und Malz" dirigiert hatte von mir. Und dann wollte er unbedingt eine Aufnahme haben. Also man hat überhaupt nichts gemerkt. Ich sagte nur: "Maestro, ich freue mich auf die Aufführung", und dann haben wir angefangen, den ersten Akt zu machen.
Eigentlich war alles wunderbar auf der Bühne. Ich habe ihn auch sehr entspannt und lächelnd im Graben bemerkt. Und dann kommt das große Finale, in dem der Barbier noch sagt: "Seid ihr bereit?", und alle schreien: "Ja!", und hüpfen vorne an die Rampe. Und zwei Minuten vor Ende, fällt er einfach um. Er ist einfach nach rechts umgefallen, vor die Geigen, in den Graben. Man hat ihn dann gar nicht mehr gesehen. Also meine Kollegen meinten, er wäre etwas langsamer geworden. Aber bis zum Moment des Herzinfarktes war er voll in seinem Element.
Das ist dann nicht Ende des Ersten Aktes passiert, sondern ganz am Schluss?
Behle: Nein, Ende des Ersten Aktes. Dann käme eigentlich noch eine Pause, Zweiter Akt, Pause, und so weiter. Aber es lief natürlich schon so 50 Minuten Musik. Man kennt das Stück nicht so richtig, aber es ist ein Bravourstück von Strauss mit einer unglaublich komplizierten Partitur und bedarf eines unglaublichen Könnens des Dirigenten, das zusammenzuhalten. Das ist sehr herausfordernd, also der Zenit der Dirigierkunst. Und er hat das wirklich bis zum Ende voll durchgezogen und dann, von einem Moment auf den anderen, wurde er abberufen.
Dann wurde die Vorstellung abgebrochen und er wurde ins Krankenhaus gebracht.
Behle: Da war der Schock im Orchester. Die haben sofort aufgehört zu spielen. Dann wurde der Vorhang zugezogen. Der Krankenwagen kam natürlich an mit einer gewissen Verzögerung. Ich wusste, dass er gesundheitliche Probleme hatte. Und er hat ja sein Leben in vollen Zügen gelebt und sein künstlerisches Leben auch wirklich bis zum Exzess getrieben.
Blicken wir einmal kurz auf sein künstlerisches Leben: Soltész war zu Beginn seiner Karriere musikalischer Assistent von Karl Böhm, Herbert von Karajan und Christoph von Dohnányi. Er war auch viel in Norddeutschland tätig, hat an der Hamburgischen Staatsoper dirigiert, war Ehrendirigent des Staatsorchesters Braunschweig. Dann war er lange Chef in Antwerpen und von 1997 bis 2013 Generalmusikdirektor der Essener Philharmonie und Intendant des Aalto Musiktheaters. Herr Behle, Sie haben es gerade schon angedeutet: Er war streng in der Sache und humorvoll privat. Wie haben Sie ihn sonst noch erlebt, als Dirigenten?
Behle: Ich habe ihn erst sehr spät kennengelernt, eigentlich erst in seinem letzten Lebensjahr. Ich kannte ihn nur über meine Mutter, weil sie als Opernsängerin mit ihm sehr viel gemacht hat. Er hat ihre erste "Carmen" in Essen gemacht, wo meine Mutter noch Mezzosopran war, ganz früh, Anfang der 80er-Jahre. Ich habe danach immer viel von ihm gehört, wie er so als Typ war. Ich habe das immer verglichen mit dem Marek Janowski, auch diese strenge Art. Das muss man als Künstler auch verkraften können. Da wird also nicht gezimperlt, nicht mit Ausdrücken und mit Beurteilungen. Das muss man hart im Nehmen sein und das nicht persönlich nehmen, weil sobald die Probe oder das Konzert dann erfolgreich beendet wurde, war das dann ein ganz freundliches Miteinander auf gleicher Augenhöhe. Wir machen ja keinen Kindergeburtstag, hat er immer gesagt, sondern das ist hier Arbeit und da hat man auch einen gewissen Anspruch. Und er hat auch das Theater Essen zu wirklich neuen Höhen geholfen, hatte einfach ein großes Fundament an Wissen und Können. Jemanden, dem man am besten zuhört und was mitnehmen sollte fürs Leben - und was lernen für seinen Beruf. Er war kein Blender, eine wirkliche Leuchte!
Daniel Behle, herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Eva Schramm.