NDR Elbphilharmonie Orchester in Madrids Auditorio Nacional
Das NDR Elbphilharmonie Orchester ist auf Europa-Tournee. NDR Kultur Moderator Philipp Schmid bloggt an Tag 5 aus Madrid - wo er das Konzert begleitet und live kommentiert hat.
Ángel, Agacio, Alejandro und Elena: Ohne diese vier spanischen Radioleute hätte niemand was gehört. Sie sorgen vor Ort für den guten Ton unserer Radio-Liveübertragung. Drei Techniker und eine Tonmeisterin der Radio Televisión Española (RTVE), die ungeheuer kompetent und freundlich sind. Und das bei knapper Zeit.
Ankunft in Madrid erst kurz vor Probenzeit
Wir kommen erst gegen 16.30 Uhr in Madrid an, 18 Uhr ist schon die Probe, und das ist genau der Zeitpunkt, an dem sie die Mikrofone einstellen können. Ihre Namen sind etwas kompliziert - Ángel (Anchel mit ch wie in "ach"), Agacio (Agathio mit englischen stimmlosen "th"), Alejandro (Alechandro mit ch wie in "ach") und "ja, Moin, ich bin Felipe. Elena. Nice to meet you."
Sie zeigen mir meinen Moderationsplatz, die Jungs sind für die Übertragungstechnik zuständig, Elena feilt am perfekten Sound des Orchesters. Ein paar Türen weiter vom Übertragungsraum mit den großen Mischpulten habe ich im Presseraum des Auditorio Nacional de Música einen großen Konferenztisch, auf dem zwei Mikrofone stehen, dazu Kopfhörer und eine kleine Box, in der sämtliche Kabel verschwinden. "Hier Du kanns...", Agacio gibt sich große Mühe, mir das auf Deutsch zu erklären. Kommandotaste, wer soll das in einer fremden Sprache wissen. "Ah, und este ... botton?" - ich bin mir nicht ganz sicher, ob damit im Spanischen vielleicht nur ein Hemd- oder Hosenknopf gemeint ist, und er mich gleich schief ansieht - "das ist ... Alarm."
Aha, Notfallknöpfe gibt es überall. Gut zu wissen jedenfalls. Auf einem Fernseher kann ich ein recht grisseliges Livebild aus dem Konzertsaal sehen, genau genommen ist keine einzelne Person zu erkennen, dafür ist die Auflösung der Kamera zu schlecht. Ich kann im Moment nicht mal sehen, ob die Musikerinnen und Musiker Masken tragen. Sie tun es aber, weiß ich, so sind die Bestimmungen hier in Madrid, angenehm ist das nicht.
Erfahrener Musikredakteur Stephan Sturm vor Ort
Unser NDR Kultur Musikredakteur Stephan Sturm ist bereits vor Ort, er hat mit den vieren schon einiges besprochen und wird die Regie übernehmen. Er hat die beiden Radiobeiträge für die Pause aufgenommen, Interviews geführt und geschnitten, das alles mitgebracht und den minutiösen Sendablauf geschrieben. "Zu Beginn kommt das Orchester, stimmt, dann gibt es eine kurze Rede auf der Bühne, das wird drei, höchstens vier Minuten dauern." Aus Erfahrung weiß ich: "...oder länger!" (Am Ende sind es acht).
Unbezahlbar, wenn man dann einen Redakteur an der Seite hat, der nahezu nie nervös wird und alles im Griff hat. Es geht ja auch vor allem darum, das Konzert aus diesem wunderbaren Saal im Radio zu übertragen und die Musik hörbar zu machen.
Geiger Joshua Bell im Pausen-Interview
Unser Orchester live aus Madrid, das ist schon eine Besonderheit. Der Klang ist richtig gut, das Orchester spielt aber heute auch besonders beseelt. Joshua Bell hat zugesagt, in der Pause, also nachdem er gespielt hat, zu mir zu kommen und Rede und Antwort zu stehen. Also schnell noch ein paar Fragen ausdenken (die ich nachher alle nicht brauche, weil er ein sehr sympathischer, lockerer, kluger Künstler ist, aus dem es, wenn es um Alan Gilbert, das NDR Elbphilharmonie Orchester und die Musik ganz allgemein geht, nur so heraussprudelt).
Verbindung von Ohr zu Herz
Elena und Agacio, Angel, Alejandro und Stephan sind also die Verbindung zum Sendestudio nach Hamburg, Charlotte und Horst dort die Verbindung ins Radio, und so sind die Hörerinnen und Hörer von NDR Kultur mit dem Orchester verbunden, das in Madrid auf der Bühne sitzt. Ein Ton, hier im Auditorio gestrichen, kommt in Husum oder Parchim an. Eine Verbindung über hunderte Kilometer, von Saite zu Ohr, von Ohr zu Herz. Und Verbindungen spielen ja auch in der Musik eine wichtige Rolle. Ein Ton verbindet sich mit dem nächsten und übernächsten zu einer Phrase, zwei Phrasen zu einer Melodie, verschiedene Melodien zu einem Musikstück.
Hornist Jens Plücker: "Mein Orchester ist für mich wie eine Familie"
Alle Musiker haben eine Verbindung zueinander. Auf einer Reise besonders. "Mein Orchester ist für mich wie eine Familie". sagt Solohornist Jens Plücker. "Ich bin jetzt schon so lange dabei, kenne so viele Kollegen so gut, es ist ein zweites Zuhause für mich". Und auf Konzertreisen wachse das Orchester noch mehr zusammen. Solokontrabassist Michael Rieber findet die musikalische Verbindung wichtig: "Gerade wenn man auf Tournee ein Stück immer wieder spielt, entwickelt es sich immer weiter." Jeden Abend leidenschaftlich Musik frisch entstehen zu lassen, heißt ja nicht immer bei Null anzufangen. Auch deshalb schätzt das Orchester seinen Chefdirigenten so: Alan Gilbert probt nicht ins Detail und lässt dann immer wieder abspielen, er ist selbst neugierig, nie ganz zufrieden und auf der Suche. Nach einer noch besseren, schlüssigeren Fassung.
Ein Orchester ist schon ein seltsames Gebilde. In privaten, beruflichen, persönlichen, zwangsläufigen oder verordneten, aber immer respektvollen Verbindungen. Verknüpft, verknotet, verflochten. Die Verbindung zum Publikum entsteht jeden Abend neu, manches löst sich, manches verfestigt sich.
Wunderbare Menschen auf dieser Reise kennengelernt
Schwarze Notenköpfe werden erst durch Menschen zu Musik. Wunderbare Menschen habe ich auf dieser Reise kennengelernt. Auf der Bühne, dahinter, am Pult, im "Drumrum", in der perfekten Organisation einer solchen Tour - alle brennen dafür, eine gewachsene Verbindung aufrecht zu halten oder viele neue zu schaffen.
Ich fühle mich Euch sehr verbunden.
Danke, dass ich dabei sein durfte.
Alles Gute auf der weiteren Tournee.
Ich hoffe, wir bleiben in Verbindung.
