Kaum Platz für Rollstühle im Bus: Protest für Gleichberechtigung
In Göttingen haben Menschen am Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen an ihre Forderungen erinnert. Diese betreffen etwa den ÖPNV, wo Menschen im Rollstuhl immer wieder auf Probleme stoßen.
Mit Demonstrationen und Kundgebungen in Göttingen haben Menschen mit Behinderungen auf mangelnde Teilhabe aufmerksam gemacht. Sie beklagen Symbolpolitik statt echter Barrierefreiheit. Dafür gibt es in Göttingen auch einen akuten Anlass: Im Sommer 2024 wurden vom Zweckverband Verkehrsbund Süd-Niedersachsen (ZVSN) 60 neue Überlandbusse angeschafft. Die bieten allerdings zu wenig Platz für Rollstühle. "Busfahren ist wie Roulette spielen", sagt Eric Kleinfeldt von der Selbsthilfe Körperbehinderter Göttingen. Man könne sich nicht mehr darauf verlassen, mitgenommen zu werden. "Viele Menschen im Rollstuhl werden an der Bushaltestelle stehen gelassen", so Kleinfeldt.
Für den Rollstuhl im Bus ist nun kaum noch Platz

Die neuen Busse halten demnach zwar die gesetzlichen Richtlinien für den sogenannten Mehrzweckbereich ein, der für Rollstühle oder Kinderwagen vorgesehen ist. Allerdings ist dieser Bereich nun deutlich kleiner im Vergleich zu den alten Bussen. Das macht es Menschen im Rollstuhl schwer, sicher zu parken. Für elektrische Rollstühle, die größer sind, sei es nicht möglich, in die neuen Busse zu kommen, sagt Kleinfeldt. Marco Schnyder, Koordinator Rollitraining beim SC Hainberg, berichtet, dass er und seine Frau diese Busse nun nicht mehr nutzen können: "Mit ganz viel Hin und Her und Rangiererei komme ich in die Busse zwar noch alleine rein. Aber ich hatte auch mehrfach die Situation, dass ich damit gefahren bin, noch weitere Personen mit Kinderwagen oder Rollstuhl zusteigen wollten und stehen gelassen wurden."
Diskriminierung und Nachteile im öffentlichen Nahverkehr
Mit dem ZVSN habe sich der Verein bereits zusammengesetzt, daraufhin sei der Mehrzweckbereich auch etwas vergrößert worden, indem Trennwände versetzt wurden. Aber auch das sei immer noch zu wenig, denn für elektrische Rollstühle bleibt die Problematik und auch ein Kinderwagen und Rollstuhl, oder gar zwei Rollstühle können nicht zeitgleich mit den neuen Bussen fahren. "Es handelt sich um Überlandbusse. Und wenn man den ersten Bus verpasst, kommt der nächste oft erst zwei Stunden später. Wenn dann jemand zuhause bleiben muss, ist das arg diskriminierend", so Kleinfeldt.


Bemühungen, Platz für Rollstühle im Bus zu vergrößern
Dem NDR Niedersachsen sagt der ZVSN: "Zukünftige Vergaben im Regionalbusverkehr und Ersatzbeschaffungen werden wir gezielt so ausgestalten, dass ein vergrößerter Mehrzweckbereich in den Fahrzeugen berücksichtigt wird." Für die Zukunft gibt es nun also eine Sensibilisierung und auch jetzt schon zeigt der ZVSN die Bereitschaft für Verbesserungen. Doch das Problem bleibt und ohne deutlich mehr Fläche im Mehrzweckbereich "werden in den nächsten Jahren Menschen im Rollstuhl nun Nachteile im öffentlichen Nahverkehr haben", sagt Kleinfeldt.
Mehr aktive Teilhabe für Menschen mit Behinderung gefordert
Wäre direkt bei der Entscheidung Menschen mit Behinderungen eingebunden worden, hätte man diese Situation verhindern können, sagt die Selbsthilfe Körperbehinderter Göttingen. Das ist ein Beispiel für die Forderungen des Vereins am Protesttag, getreu dem alten Leitsatz der Behindertenbewegung "Nicht über uns ohne uns", sagt Kleinfeldt. "Menschen mit Behinderung haben immer noch nicht gleichberechtigte Teilhabe, sei es am Arbeitsplatz, im Wohnungsbereich oder im öffentlichen Nahverkehr." Daher brauche es mehr politische Mitbestimmung. Ein Lösungsansatz könnte beispielsweise auf kommunaler Ebene ein hauptamtlicher Beauftragter für Menschen mit Behinderung sein.
30 Jahre Engagement für Gleichstellung
Seit 30 Jahren protestieren Menschen mit Behinderungen in Göttingen rund um den 5. Mai für mehr Rechte und Teilhabe. Das Motto des diesjährigen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen lautet in Göttingen "Neustart Inklusion". Auftakt ist um 16 Uhr am Neuen Rathaus. Von dort zieht ein Demonstrationszug in die Innenstadt und es ist eine Kundgebung geplant, die das Thema Nahverkehr und Rollstuhl thematisiert. Die Organisatoren rechnen mit etwa 150 Teilnehmenden.
